Erhebliche Bestürzung herrscht am Freitagmorgen in London, nachdem ein Teil der Decke eines West-End-Theaters während der Vorstellung eingebrochen und auf das Publikum gefallen war. Die Ursache des Unglücks ist noch unklar.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Erhebliche Bestürzung herrschte am Freitagmorgen in London, nachdem am Abend zuvor ein Teil der Decke eines West-End-Theaters während der Vorstellung eingebrochen und aufs Publikum gefallen war. Bei dem Unglück im nahezu voll besetzten Apollo-Theater nahe Picadilly Circus waren 76 Besucher, darunter mehrere Kinder, verletzt worden. Sieben Personen trugen relativ schwere Verletzungen davon.

 

Rettungsmannschaften nannten es „reines Glück“, dass bei dem Vorfall niemand getötet wurde. Offenbar hatte sich vierzig Minuten nach Beginn der abendlichen Vorstellung eine Deckenfläche von etwa fünf mal zwei Metern gelöst und war in Form von schweren Gipsstücken und Balken-Brocken in die unteren Ränge gestürzt.

Das ausgebrochene Deckenstück soll auch den vorderen Teil des Balkons mit sich in die Tiefe gerissen haben. Die meisten vom Unglück Betroffenen erlitten Kopf- und Schulterverletzungen. Einige mussten aus den Trümmern geborgen werden.

Knistern und Knacken

Über die Ursache des Unglücks wurde am Freitag noch gerätselt. Technische Sachverständige der Gemeinde Westminster hatten bereits in der Nacht zuvor Untersuchungen aufgenommen. Vermutungen gingen dahin, dass schwere Regengüsse am selben Abend den Einbruch herbei geführt haben könnten. Augenzeugen glaubten Spuren von Wasser im Gebäude gesichtet zu haben, kurz bevor es zu dem Unglück kam. Einige Experten hielten es auch für möglich, dass ein Blitzschlag den Deckensturz ausgelöst hatte.

Das Apollo, mitten in der Londoner Theater-Landschaft des West End, ist 112 Jahre alt und gehört zu den schönen und reich verzierten historischen Bauwerken der vorigen Jahrhundertwende an der Themse. Am Donnerstagabend war es, mit rund 720 Personen, fast voll besetzt.

Besucher der Katastrophen-Vorstellung berichteten übereinstimmend, dass sie erst ein Knistern und Knacken gehört hätten, jedoch geglaubt hatten, es sei Teil der Vorstellung. Dann seien Leute plötzlich aufgesprungen, während die Decke einbrach. Eine riesige Staubwolke habe alles eingehüllt.

Martin Bostock, der bei dem Vorfall eine Kopfverletzung davontrug, berichtete später, die Sache sei „wahrhaft beängstigend“ gewesen. Khalil Anjarwalla, der die Show mit seiner hochschwangeren Frau besuchte, sah „Kilos von Gips und Zement aus der Decke brechen“ und konnte „kaum noch atmen“. Eine andere Augenzeugin, Libby Grundy, beobachtete, wie die Schauspieler, bevor sie von der Bühne rannten, entsetzt zur Decke hinauf gestikulierten: „Sie hatten es wohl kommen sehen.“

Das Publikum blieb ruhig

Das Publikum selbst habe allerdings „keine Panik“ an den Tag gelegt, fügte Grundy hinzu. Man habe schnellstmöglich, aber in relativer Ruhe, das Gebäude verlassen. Auch andere Besucher bestätigten, dass die Zuschauer einander aus dem Saal auf die Strasse halfen und die Platzanweiser bei der Evakuierung halfen.

Polizei, Feuerwehr und Ambulanzen waren bereits nach wenigen Minuten zur Stelle. Sie sperrten die Strasse ab und richteten im Foyer des benachbarten Gielgud-Theaters und an anderen Plätzen der Umgebung Schnell-Lazarette ein, um Erste Hilfe leisten zu können.

Zahlreiche Apollo-Besucher, darunter auch Kinder und Jugendliche, bahnten sich schockiert und mit blutigen Köpfen, Schürfungen und Schnittverletzungen den Weg ins Freie. Die meisten der Verletzten wurden in drei rasch requirierten Doppeldecker-Bussen unter Polizeischutz in umliegende Krankenhäuser gefahren. Schwerer Verletzte, die teils Knochenbrüche und Halsverletzungen erlitten, wurden auf Tragbahren aus dem Theater geschleppt und in Krankenwagen auf die unmittelbar alarmierten Klinikstationen befördert.

Das Theater bleibt vorerst geschlossen

Premierminister David Cameron und Londons Bürgermeister Boris Johnson zeigten sich betroffen von dem Unglück und erleichtert darüber, dass es keine Toten gegeben hatte. Das Apollo sagte seine Vorstellungen für Freitag und Samstag ab. Es wird vorerst geschlossen bleiben.

Im Laufe des Freitag wollen technische Experten weitere Untersuchungen in dem denkmalgeschützten Theater anstellen. Die zeitweise gesperrte Shaftesbury Avenue, an der das Apollo und viele andere Theater liegen, wurde bereits in den Nachtstunden wieder für den Verkehr eröffnet. Dies ist im lichtergeschmückten West End Londons die geschäftigste Zeit des ganzen Jahres.