Die Sommerspiele hätten statt in London auch in Stuttgart und der Region stattfinden können. Doch die schwäbischen Bewerber scheiterten bereits in der Vorrunde. Die damaligen Pläne erscheinen heute wenig nachhaltig. Der Neckarpark hat sich stattdessen auf seine eigene Art entwickelt – zum Besseren.

Stuttgart - Die Eröffnungsfeier für die Olympischen Sommerspiele wird am Freitag exakt 729,261 Kilometer von dem Ort entfernt zelebriert, den sich vor knapp zehn Jahren Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster für dieses Großereignis ausgeguckt hatte: In Bad Cannstatt statt in London sollte sich die Jugend der Welt treffen. Genauer: Im futuristisch anmutenden Neckarpark, der sich in sattem Grün vom Neckar bis zu den Weinbergen präsentiert hätte. Und noch genauer: in der zum riesigen Olympiastadion aufgeblasenen Daimler-Schüssel.

 

Diese schon bei der deutschen Vorausscheidung im Jahr 2003 bei den Vertretern des Nationalen Olympischen Komitees nicht mehrheitsfähige Vision von Spielen in Stadt und Region verschwand sofort nach dem Präsentationsdebakel in einem Münchner Hotel in der Schublade. Da gehörten die Pläne auch hin, würde man aus heutiger Sicht ergänzen müssen. Die Außenwirkung des weltweit größten Sportereignisses ist zwar nach wie vor unbestritten. So manche geplanten Bau- und Infrastrukturvorhaben muten in der Rückschau allerdings etwas aus der Zeit gefallen an, ihre Nachnutzung unrealistisch, die Folgekosten unbezahlbar und die zeitliche Realisierungsperspektiven außerordentlich optimistisch.

Keine Chance auf ein reines Fußballstadion

Olympiastadion:
Das Gottlieb-Daimler-Stadion hätte seine Leichtathletiklaufbahn behalten und 80 000 Zuschauern Platz geboten – auch nach Olympia, was die Fans des Hauptnutzers VfB Stuttgart gerade zweimal pro Saison gefreut hätte: Wenn der Meister Dortmund oder die Bayern kommen, ist ein volles Haus garantiert. Die laufbahnfreie Mercedes-Benz-Arena in ihrer heutigen Ausgestaltung (mit ihren steilen Tribünen bis an die Torauslinien) würde es heute nicht geben, der VfB wäre immer noch Mieter mit eklatanten Wettbewerbsnachteilen gegenüber den anderen Klubs und nicht wie heute ein zahlungskräftiger Stadionbetreiber. Die Stadt würde nicht 800 000 Euro Erbpachtzins einstreichen, sondern sogar noch mehr als das bisher anfallende Defizit von 2,3 Millionen Euro tragen.

Sporthallen:
Drei Sporthallen waren vorgesehen, wobei die bestehende Schleyerhalle mit 15 000 Zuschauern noch die kleinste gewesen wäre. Auf der Fläche der Bezirkssportanlage gegenüber des Stadions war eine Großhalle für 20 000 Besucher geplant – ohne feste Einbauten, um sie nach den Spielen „vielfältig nutzen zu können“, wie es im Bewerbungsprospekt hieß. Die mittlere Halle hätte ein Fassungsvermögen von 15 000 Personen gehabt. Damals ging man noch davon aus, sie regelmäßig mit Sport- und Kulturveranstaltungen belegen und die Schleyerhalle irgendwann abreißen zu können. Heute ist alles einige Nummern kleiner und gerade deshalb gut ausgelastet: Die Schleyerhalle ist erweitert und saniert, die Porsche-Arena deckt mit 6000 Tribünenplätzen den Bedarf für Handballspiele und kleinere Konzerte ab. Neu im Portfolio ist die Scharrena mit bis zu 2000 Zuschauern in der Mercedes-Benz-Arena, sie ist ebenfalls passgenau erstellt. Dazwischen klemmt das Carl-Benz-Center – nicht schön, aber funktional. Am linken Neckarufer sollte die olympische Schwimmhalle für 20 000 Zuschauer gebaut werden. Am Plan eines Sportbades hält die Stadt weiter fest, allerdings ist es nun neben der Schleyerhalle – und deutlich kleiner – vorgesehen.

Olympisches Dorf:
Hier hatte sich die Stadt am weitesten vorgewagt, indem sie schon im Jahr 2001 das ehemalige Güterbahnhofareal kaufte. Die Athletenunterkünfte sollten sich in bis zu sieben Stockwerke hohen Gebäuden befinden. Der Lärmschutz war schon damals ein Thema: Die Wohnungen sollten durch Service- und Infrastruktureinrichtungen „gegenüber den belebteren Olympiabereichen abgeschirmt“ werden. Nach den Spielen sollte das Areal als Mischgebiet für Wohnungen, Arbeiten und Freizeit „in die bestehende Stadtteilstruktur eingegliedert werden“. Genau darüber wird gerade im Gemeinderat kontrovers diskutiert. CDU, FDP und Freie Wähler haben sich von der eigentlichen Idee großflächigen Wohnungsbaus auf dem Gelände verabschiedet.

Streit um Wohnanteil auf dem Güterbahnhofareal

Park:
Aus dem Sport- und Freizeitgelände Cannstatter Wasen sollte der Olympiapark entwickelt werden, der bis zum Neckarufer reichen sowie Schlossgarten und Weinberge verbinden sollte. Die Wegeverbindung hätte über Stege erfolgen sollen, ein „Ring der Kulturen“ umschloss Stadion und Großhalle. Von einer Stadt am Fluss ist man heute weit entfernt. Die Höhenunterschiede stellen das größte Problem dar. Der Neckarpark entwickelt sich derweil auch ohne olympischen Hilfsmotor: Der VfB will sein Klubzentrum vergrößern, die Daimler AG ihre Mercedes-Welt erweitern und Porsche voraussichtlich ein Science-Center errichten.

Stuttgart 21 sollte bis zur Eröffnungsfeier fertig sein

Killesberg
: Auf der Anlage des TC Weissenhof wäre neben einigen Tennisplätzen ein Stadion mit 12 000 Plätzen erstellt worden. Mit beweglichem Dach sollte es danach als weitere Ballspielhalle dienen. Die benachbarten Messehallen hätten für Funktions- und VIP-Räume zur Verfügung gestanden. Ohne Olympia ist man dort jetzt viel weiter: Die Hallen sind abgerissen, ein gehobenes Wohngebiet und ein Dienstleistungszentrum entstehen derzeit.

Verkehr:
Stuttgart war überzeugt, von Bund und Land bei der Optimierung der Verkehrsinfrastruktur unterstützt zu werden. Man könne davon ausgehen, dass bis 2012 die A 8 von Karlsruhe nach Ulm sechsspurig ausgebaut sei. Davon ist man weit entfernt. Wegen Wettbewerben auf der Messe, sollte zudem die Hedelfinger Filderauffahrt ausgebaut werden. Davon ist auch keine Rede mehr. Für den Fall des Zuschlags sollte überdies sichergestellt werden, dass der neue Tiefbahnhof fertig ist. „Diese Zusage ist aus heutiger Sicht realistisch“, heißt es in der Bewerbung, eine Verzögerung könne „aber nicht völlig ausgeschlossen werden“. Um die Planungssicherheit der Bewerbung zu erhalten, hatte man Stuttgart 21 bewusst „nicht zur Grundlage des Verkehrskonzepts gemacht“.