Osterholzwald bei Ludwigsburg Ein Lost Place im Wald wird für zwei Millionen Euro abgerissen

Tiefe Schneisen sind in den Osterholzwald gezogen worden – für den Abriss müssen 256 Bäume weichen. Foto: BUND

Für den Abriss eines Lost Places im Osterholzwald bei Ludwigsburg gibt der Bund zwei Millionen Euro aus – und reißt eine Schneise in den Wald. Naturschützer protestieren.

Ludwigsburg: Oliver von Schaewen (ole)

Schneller als erwartet sind die Bagger in den Osterholzwald bei Ludwigsburg angerückt. „Wir fielen aus allen Wolken“, sagt Karin Zimmer, 72-jährige Aktivistin und Vorstandsmitglied des BUND-Kreisverbandes Ludwigsburg. Sie war am Montag mit zwei Mitstreitern in den Wald gegangen, um angekündigte Bauvorbereitungen anzuschauen. Doch es ging dort schon knallhart zur Sache: Ein Großteil der 256 zu fällenden Bäume lag gegen 15 Uhr bereits in großen Lastwagen.

 

Eine alte Schießanlage, die das US-Militär früher nutzte, soll abgerissen werden. Federführend ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) mit Sitz in Bonn. Die Eigentümerin will für Rechtssicherheit sorgen: An den baufälligen Gebäuden könnten Menschen unter anderem von herabfallenden Ziegelsteinen verletzt werden, so die Argumentation. Dafür wird aktuell eine Schneise in den Wald geschlagen, um dann die Betonklötze abtransportieren zu können.

Die Bagger sind schneller angerückt, als erwartet. Foto: Simon Granville

Das ganze Projekt ist für den BUND-Kreisvorstand völlig übertrieben. „Überall stehen Schilder, dass das Betreten verboten ist.“ An jeder Baustelle würde derjenige selbst haften, der das Gelände betrete und sich verletze. Der BUND beklagt zudem eine Verschwendung von Steuergeldern im großen Stil. Zwei Millionen Euro kostet das gesamte Vorhaben.

Der Eigentümer schafft auf dem Gelände Fakten

Nun schaffe die BImA auf dem Gelände Fakten – und ziehe wie angekündigt Schneisen, damit Baufahrzeuge zu den Gebäuden vordringen können. Ohnmächtig mussten die BUND-Aktivisten zuschauen, wie die Bäume ein Raub der schweren Maschinen wurden. Eigentlich verbietet das Naturschutzgesetz solche Eingriffe vor dem 1. Oktober, doch die BImA hatte sich beim Landratsamt Ludwigsburg eine Sondergenehmigung eingeholt.

Das Ja der anderen Behörden regt Karin Zimmer auf. „Sie machen sich zu Erfüllungsgehilfen von Schreibtischgehirnen.“ Die Angst der BImA-Juristen vor möglichen Haftungen hält die Ingersheimer BUND-Ortsvorsitzende der Eigenverantwortung entgegen, die Menschen haben, wenn sie den „Märchenwald“ mit seiner verwunschenen Atmosphäre aufsuchen.

Aber nicht nur über das Einverständnis der Bürokraten ärgert sich Karin Zimmer, auch die Kommunikation sei von Anfang an intransparent verlaufen. So habe die BImA nach dem Ja des Asperger Gemeinderats und einem Pressebericht im März dem BUND-Kreisverband erst keine Unterlagen zur Verfügung gestellt, dann auf den Datenschutz gepocht. Für die Schwärzungen von Informationen über Dritte in den Unterlagen habe die Behörde eine Gebühr von 500 Euro verlangt.

So sieht die alte Schießanlage im Wald aus. Foto: Simon Granville

BUND: Erhebliche ökologische Schäden für teures Steuergeld

So sei viel Zeit ins Land gegangen, die man hätte nutzen können, um mehr Widerstand zu organisieren, findet Karin Zimmer. Warum die Bundesbehörde nach 60 Jahren den Lost Place für teures Steuergeld vernichte und erhebliche ökologische Schäden, insbesondere unter den Kleinlebewesen im Osterholzwald, in Kauf nehme, erschließe sich ihr nicht. „Überall wird geklagt, dass der Staat kein Geld mehr habe – hier macht man für zwei Millionen Euro einfach etwas platt, weil man vorgibt, Leib und Leben seien in Gefahr.“

Unter Zugzwang sieht sich hingegen die BImA, unabhängig davon, ob sich Personen berechtigt oder unberechtigt auf dem Grundstück aufhalten: „Es handelt sich um eine allgemeine Rechtspflicht zur Gefahrenabwehr.“ Der Abriss der Schießanlage sei die sinnvollste Variante gewesen, teilt die Behörde mit. Zäune oder andere Absperrungen seien immer wieder überwunden worden. Künftig entfalle ein erheblicher Aufwand für Kontrolle und Unterhalt wie etwa für den eines Zaunes, der zudem die Tierwelt beeinträchtigen und den Erholungswert für Menschen im Wald schmälern würde.

Und die Abrisskosten von zwei Millionen Euro? Die Bundesanstalt zieht insgesamt eine positive Bilanz: „Die Kosten des Rückbaus, der Beseitigung von vorhandenen Altlasten und der Renaturierung der Waldfläche sind langfristig nachhaltig investiert.“ Nach Abschluss der Renaturierung könne sich die Tier- und Pflanzenwelt entfalten. Jetzige und zukünftige Generationen könnten den Wald uneingeschränkt zur Erholung nutzen.

Wegen des vorzeitigen Beginns noch vor dem 1. Oktober hatte sich die BImA mit dem Landratsamt Ludwigsburg abgestimmt. Das bestätigt der LRA-Sprecher Andreas Fritz: „Für die befristete Umwandlung von Wald in eine Baustraße liegt eine Waldumwandlungsgenehmigung der Forstdirektion Freiburg vor.“ Für einen möglichst verträglichen Rückbau in dem Gebiet sei ein Konzept entwickelt worden: „Es ist so wenig Wald wie möglich betroffen.“ Er werde auch wieder aufgeforstet.

Was geschieht im Osterholzwald?

Wald
Der Osterholzwald ist ein besonderes und schützenswertes Gebiet, weshalb er 2019 von der Stadt Asperg als geschützter Landschaftsbestandteil ausgewiesen wurde. Die meisten Flächen gehören dem Bund, ein kleiner Teil Asperg. Nach dem Ende der militärischen Nutzung sind die noch verbliebenen Bauwerke zunehmend verwittert und nicht mehr verkehrssicher.

Projekt
Da der Osterholzwald von Menschen zur Erholung genutzt wird und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) die Verkehrssicherheit hier nicht mehr gegeben sieht, hat sie den Rückbau der noch im Osterholzwald befindlichen Gebäude geplant und setzt dieses Vorhaben jetzt um.

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