Unter dem Westflügel des Ludwigsburger Rathauses verbirgt sich ein ziviler Schutzraum, der in Zeiten des Kalten Krieges für den Fall eines nuklearen Angriffs gebaut wurde. Heute lagern dort Akten.

Ludwigsburg - Unter dem Ludwigsburger Rathaus ist die Zeit stehen geblieben. Den Schlüssel zur Zeitreise in den Kalten Krieg hat der Hauptamtsleiter Robert Nitzsche. Zwei Stockwerke unter dem Rathausplatz löst der 55-Jährige ein Vorhängeschloss an einer schweren Stahltür. Dann dreht er den Hebel des Bajonettverschlusses, bis sich der Stab an der Innenseite der Tür nach oben bewegt. Hinter der Tür liegt ein langer, karger Gang, von dem mehrere Räume abzweigen. Was sich da im Keller des Rathauses verbirgt, wüssten selbst viele Verwaltungsmitarbeiter nicht, sagt der Hauptamtsleiter.

 

455 Personen sollten im atomaren Notfall hier Schutz finden. „Ich habe immer ein beklemmendes Gefühl, wenn ich hierher komme“, sagt Nitzsche. Bei einem Atomangriff auf Ludwigsburg – einem „Volltreffer“ – hätte der Schutzraum nichts genutzt, kommentiert er trocken. „Aber für den Fall, dass etwa Stuttgart oder Waiblingen getroffen worden wäre.“ Wasser und Notnahrung stand bereit – jedoch nur für zwei Wochen. Nach dieser Zeit hätte wohl jemand über einen Notausgang-Schacht nach oben steigen und nach dem Rechten sehen müssen.

455 Plätze im Schutzraum für den atomaren Notfall

Wer im Notfall einen der 455 Plätze bekommen hätte, ist laut Nitzsche nicht überliefert. Der Schutzraum war als ein öffentlicher angelegt. Allerdings gibt der Hauptamtsleiter zu bedenken, dass man sich bei einer Katastrophe hätte überlegen müssen, wer das Leben nach einer Katastrophe hätte wieder aufbauen können.

Das Herzstück des Schutzraums ist die frühere Kommunikationszentrale. Im atomaren Ernstfall sollte die Stadtspitze von hier aus Katastrophen-Management betreiben, mit Analogfunkgeräten und Wählscheiben-Telefonen. Erhalten ist die Lüftungspumpe im Funkraum: Für frische, gefilterte Luft hätte hier jemand von Hand pumpen müssen – und das rund um die Uhr. Gleiches galt für die Sanitäranlagen: Das Abwasser hätte per Trockenhandpumpe nach oben befördert werden müssen.

Heute werden im Atombunker Akten gelagert

Doch der Ernstfall trat nie ein und der Schutzraum unter dem Rathaus verlor über die Jahre seine Bedeutung. „Schade, vor ein paar Jahren erst haben wir die orangenen Schalensitze im Stil der 70er-Jahre aus den Aufenthaltsräumen entfernt“, erzählt Nitzsche. Die Möbel mussten Platz machen für die neue Aufgabe des Atombunkers: Heute nutzt die Verwaltung die Räume als Lager, unter anderem für Akten.

In den Regalen im Gang stehen Ordner mit Erschließungsbeiträgen aus den 80er-Jahren, im früheren Aufenthaltsraum, wenige Meter neben einem kaminartigen Notausstiegsschacht, werden Kassenbücher gelagert. „Das trockene Klima hier unten ist sehr aktenfreundlich“, erklärt Nitzsche. „Da verrottet nichts.“

Museum übernimmt Erinnerungen an den Bunker

Im Technikraum steht zudem das Notstrom-Aggregat der Verwaltung. Bei einem Stromausfall kann damit ein Teil des Rathauses versorgt werden: „Vom Westflügel bis zum Weißen Haus, wie wir das Haupt-Rathaus nennen“, sagt Nitzsche. Einmal ihm Monat wird das Aggregat überprüft. Denn das was man regelmäßig übt, klappt auch im Notfall. Zwei Pakete Notnahrung aus dem Atombunker hat das Ludwigsburg-Museum in seinen Bestand übernommen, damit die Erinnerung an den Kalten Krieg nicht im Keller verborgen bleibt.