Der Ludwigsburger Stadtteil Poppenweiler bekommt sein Familienzentrum. Unklar ist, wie es mit dem Bürgermeisteramt weiter geht.

Ludwigsburg - Der Oberbürgermeister wünschte sich „wegweisende Beschlüsse“ für Poppenweiler, und er bekam sie. Kurz vor der Sommerpause konnte der Ludwigsburger Gemeinderat wenigstens in Bezug auf das Kinder- und Familienzentrum (KiFa) sowie den Ausbau der Kernzeitbetreuung Klarheit schaffen: Die alte Darlehenskasse wird abgerissen und an ihrer Stelle wird das neue KiFa errichtet. Das Alte Schulhaus wird ausschließlich für die Grundschüler und die Zehntscheuer für die Vereine umgebaut. Offen ist weiterhin, wo die Bürgermeisteramtliche Geschäftsstelle (BMAG) Quartier nehmen wird und wo auf längere Sicht der Rad- und Kraftsportverein (RKV) unterkommt.

 

Bürgermeisteramt in Mieträume

Dass Vertreter aus Verwaltung, Stadtteilausschuss und Gemeinderat am Nachmittag vor der Sitzung noch einmal gemeinsam die Immobilien Altes Schulhaus, Zehntscheuer und Alte Scheune besichtigt haben, dürfte die Entscheidung befördert haben. Schon während des Rundgangs war klar geworden, dass es keine Mehrheit für die Verlagerung des Bürgerservices in die Alte Scheune oder in die Alte Schule geben würde. Im ersten Fall erschienen den Stadträten die auf 565 000 Euro geschätzten Sanierungskosten zu hoch, im zweiten störte es sie, dass die Schüler für die BMAG kürzer treten müssten.

Am Abend in der Sitzung schlug darum der CDU-Stadtrat Claus-Dieter Meyer vor, für die städtische Geschäftsstelle ein Ladengeschäft anzumieten. Einzig Margit Liepins (SPD) wollte dem nicht zustimmen. Sie fürchtet, dass ein angemietetes Objekt nicht auf Dauer zur Verfügung stehe, die BMAG aber brauche verlässliche Rahmenbedingungen.

Kein Bürgertreff in der Scheune

Anita Klett-Heuchert (Grüne) zeigte sich „entsetzt darüber, dass es noch keine Einigung unter den Vereinen gibt“. Vor allem der Musikverein und der Radsportverein seien so überkreuz, „dass man schon einen Mediator bräuchte“. Nach Aussagen der Vorsitzenden ist wohl nur der Musikverein (MVP) glücklich über die avisierte Lösung. Die Radsportler kritisieren, dass ihnen der in der Zehntscheuer zugewiesene Platz nicht reiche. Außerdem wünscht sich der RKV noch immer ein Klubheim am Lemberg. Dafür wird es aber kein Okay von den Baubehörden geben, weil außerhalb der Bebauung keine Gastronomie erlaubt ist. Oberbürgermeister Werner Spec versprach, mit dem RKV weiter nach Lösungen zu suchen.

Nachdem die Pläne für BMAG-Büros in der Alten Scheune vom Tisch waren, schlug der Heimatverein vor, dort einen Bürgersaal sowie Ausstellungsräume einzurichten. Während sich Reinhardt Weiss (FW) zum Anwalt dieser Idee machte, widersprach Dieter Juranek (SPD): Wer dieses Gebäude für eine hochwertige Nutzung umgestalte, verfälsche die Dorfgeschichte: „Das ist nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch historisch falsch.“ Da das Gebäude nicht viel Substanz habe, wäre das auch kein Umbau mehr, sagte Wilhelm Haag (FDP). Angesichts der zu erwartenden Kosten sei ein Neubau günstiger. „Dafür aber gibt es keine Zuschusse“, sagte Baubürgermeister Hans Schmid.

Kommentar: Befreiungsschlag en miniature

So kann’s gehen, wenn man Entscheidungen zu lange vor sich herschiebt: Sie türmen sich und irgendwann wird die Lage so verzwickt wie im Teilort Poppenweiler. Niemand hatte dort mehr den Überblick, alles schien mit allem zusammenzuhängen: In diesem Fall der Bau eines Kinder- und Familienzentrums mit der Schaffung neuer Klubheime, die Aufstockung bei der Kernzeitbetreuung mit dem Erhalt der Bürgermeisterlichen Geschäftsstelle und der Auszug eines Kindergartens mit den hochtrabenden Vorstellungen des Heimatvereins und so weiter.

So gesehen wirkt der Beschluss des Gemeinderats wie ein Befreiungsschlag. Möglich wurde er erst, nachdem man sich endlich von der fixen Idee verabschiedet hatte, alle Probleme auf einen Streich lösen zu können. Was wirklich wichtig ist, kann nun umgesetzt werden. In Bezug auf die noch ausstehenden Entscheidungen aber wäre es angebracht, dass einige Stadträte ihre populistische Linie aufgeben.

Die andauernden Querelen zwischen Musik- und Radsportverein zeigen, dass sich die Stadt viel zu lange von den Klubs vor sich hertreiben ließ. Und wer behauptet, die Alte Scheune sei „ortsbildprägend“, geht offenbar mit geschlossenen Augen durch den Ort, dessen Kern neue Wohnhäuser und ein Seniorenheim prägen. Was für Gebäude wie Kelter oder Zehntscheuer zutrifft, gilt nicht für die Alte Scheune. Es ist kein Versäumnis der Behörde, dass sie nicht unter Denkmalschutz steht.