Utz Remlinger (links) zieht die Konsequenz aus den wachsenden Vorwürfen an der Abfallentsorgung des Landkreises Ludwigsburg. Nach dem Verdacht, dass Asbest schlampig abgelagert wurde, gibt der Vizelandrat seinen Job als AVL-Chef auf. Auf Betreiben des Landrats Rainer Haas?

Ludwigsburg - Paukenschlag zu Beginn der Aufsichtsratssitzung der Kreis-Abfallentsorgung AVL am Donnerstag: vor dem Einstieg in die Tagesordnung hat der Vizelandrat Utz Remlinger erklärt, dass er von seinem Amt als AVL-Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung zurücktrete. Er wolle damit „einen Neuanfang und den Wiederaufbau von Vertrauen ermöglichen“, sagte Remlinger. Er zog damit die Konsequenz aus wachsender Kritik an der AVL. Zuletzt war bekannt geworden, dass auf der Deponie Froschgraben in Schwieberdingen Asbest womöglich nicht gesetzeskonform abgelagert worden war.

 

„Die Verstöße, so sie begangen wurden, sind in höchstem Maße ärgerlich und rufen berechtigte Kritik hervor“, erklärte Remlinger. Ärgerlich sei das vor allem, weil die AVL gewusst habe, dass eine Schwieberdinger Bürgerinitiative Ende 2015 per Fotoapparat auf der Suche nach Verstößen gegen die Deponieverordnung gewesen sei. Dennoch sei nicht belegbar, dass die Abfälle wie vorgeschrieben spätestens nach einer Woche mit Erde oder Kies bedeckt worden seien. Er habe sich „keiner groben Pflichtverstöße schuldig gemacht“, sei aber als Geschäftsführer letztlich in der Verantwortung.

Sturm der Entrüstung in Schwieberdingen

Besondere Brisanz erhielten die Asbest-Vorwürfe, weil die AVL bereits seit Monaten in der Kritik ist. Sie hatte verschwiegen, dass sie über Jahre hinweg Abfälle aus atomaren Anlagen im Landkreis Karlsruhe in den beiden Deponien in Schwieberdingen und Vaihingen/Enz-Horrheim abgelagert hatte. Dies gelangte erst an die Öffentlichkeit, als der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas bekannt gab, dass der Kreis auf seinen Deponien rund 3300 Tonnen Bauschutt des stillgelegten Kernkraftwerks Neckarwestheim deponieren müsse. Und zwar deshalb, weil ein Teil der Anlage auf dem Gebiet des Kreises Ludwigsburg liegt.

Die Kombination dieser Vorgänge löste in Schwieberdingen große Entrüstung aus. Der Gemeinderat will die AVL im April auffordern, in Schwieberdingen keine Reststoffe aus atomaren Anlagen mehr zu deponieren. Die Bürgerinitiative, die die Asbest-Verstöße fotografiert hat, sieht das Vertrauen in die AVL ebenso wie der Bürgermeister, Nico Lauxmann, stark beschädigt.

Versetzung „nur zum eigenen Schutz“

Die Aufsichtsräte dankten Remlinger für seine Arbeit und erklärten die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen die AVL damit für abgeschlossen. „Das ist ein notwendiger Schritt, um das Vertrauen wieder herzustellen“, sagte Steffen Döttinger (Freie Wähler). „Für uns ist die Sache jetzt erledigt“, sagte Peter-Michael Valet (Grüne). „Ich bedauere, dass dieser Rücktritt wegen so einer Sache kommt“, sagte Joachim Wirth (SPD). Eine Gesundheitsgefahr, darin waren sich alle Beteiligten einig, habe aber zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Das Amt des AVL-Chefs soll übergangsweise vom Kreiskämmerer Albert Walter ausgeübt werden. Remlingers Rücktritt ist nicht die einzige Konsequenz aus der Krise. Der Landrat Rainer Haas erklärte, dass außerdem der Schwieberdinger Deponieleiter versetzt worden sei. Er sei künftig Leiter der Deponie am Hamberg in Maulbronn (Enzkreis). Dies geschehe „lediglich zu seinem eigenen Schutz“, betonte der Grünen-Aufsichtsrat Peter-Michael Valet.

Albrecht Tschackert, der Technische Leiter der AVL, genießt das Vertrauen von Landrat und Aufsichtsrat. Gemeinsam mit Haas soll Tschackert nun zu einer Informationsveranstaltung nach Schwieberdingen gehen, um dort für Vertrauen in die AVL zu werben. Der erste Schritt in diese Richtung ist laut Haas bereits getan: die Asbest-Anlieferungen seien gestoppt worden.

Derweil prüft das Regierungspräsidium Stuttgart, ob die AVL gegen die Deponieverordnung verstoßen hat. Dafür droht ein Bußgeld von bis zu 50 000 Euro.

Kommentar: Ein Abgang mit Ansage

Rücktritt - Für Insider war das absehbar: Der Ludwigsburger Vizelandrat Utz Remlinger tritt von seinem Amt als Chef der Kreis-Abfallverwertung zurück. Er übernimmt damit die Verantwortung für etwas, an dem er wahrscheinlich gar nicht schuld ist: die womöglich mangelhafte Deponierung von Asbest auf den AVL-Deponien. Dass sich die AVL-Aufsichtsräte für diesen Schritt artig bei Remlinger bedanken, mutet einigermaßen seltsam an.

Noch seltsamer mutet allerdings die Empörung mancher Aufsichtsräte über die öffentliche Empörung nach den jüngsten Vorwürfe gegen die AVL an. Es geht in Wirklichkeit keineswegs darum, dass man sich in Schwieberdingen jetzt vor Asbestvergiftungen fürchtet. Sondern es geht darum, dass man einem Unternehmen, das sich anscheinend nicht immer an die Buchstaben der Deponieverordnung gehalten hat, nicht mehr vertraut – besonders, weil die Deponierung von weiteren heiklen Reststoffen des stillgelegten Kernkraftwerks Neckarwestheim ansteht.

Allzu formalistisch agiert

Was sich Remlinger tatsächlich vorzuwerfen hat: er hatte bei der Einschätzung solchen Bauschutts eine zu formale Sichtweise. Rechtlich gelten diese Stoffe als normaler Schutt. Zu verschweigen, dass die AVL bereits kleinere Mengen solcher Stoffe aus dem Kreis Karlsruhe abgelagert hat, war jedoch ein herber Lapsus – denn allein deren Herkunft macht die Stoffe brisant. Das dürfte der eigentliche Grund seines Rücktritts sein, der ihm wahrscheinlich vom Landrat nahe gelegt wurde.

Spannend ist dabei zweierlei. Erstens: weder der Landrat noch ein AVL-Verantwortlicher haben je erklärt, sicher zu sein, dass die Vorwürfe schlampiger Asbest-Deponierung haltlos sind. Offenbar war das interne Vertrauen in den Schwieberdinger Deponieleiter dafür nicht groß genug. Zweitens dürfte man sich jetzt im Enzkreis fragen, warum dieser Mann für Schwieberdingen nicht mehr haltbar ist, für die Deponie Hamberg in Maulbronn aber durchaus. Mit dem Rücktritt ihres Chefs ist die AVL bei der Bewältigung der Vertrauenskrise keinen Schritt weiter.