Joachim Michael Feigl hat Menschen an ihren Arbeitsplätzen in 24 ganz unterschiedlichen Archiven fotografiert. Dafür ist er auf Dachböden und in Bergstollen gestiegen und hat sich auch durch Firmenarchive führen lassen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Wer in ein Archiv geht, dessen Gedanken kreisen durchaus mal um die eigene Vergänglichkeit oder die seiner Arbeit. Insofern war das Fotoprojekt, dem sich Joachim Michael Feigl für 18 Monate widmete, auch eine Lektion für den Fotografen selbst. Intuitiv entschied sich der gebürtige Sigmaringer, analog und nicht digital zu fotografieren. Denn es ging ihm bei seinen Besuchen in den Archiven neben der Begegnung mit den Menschen auch um das Großthema Bewahren und Erhalten. Da stellt sich auch die Frage nach dem Trägermedium, der Halbwertszeit digitaler Bilder und von Filmmaterial überhaupt.

 

„Ich bin ein großer Fan gedruckter Bilder und von Fotobänden“, sagt der 48-Jährige. Gleichzeitig hat er Festplatten mit seinem digitalen Fotomaterial gleich an mehreren Orten deponiert. Das war freilich aber schon vor dem Projekt so, dessen Resultate zurzeit im Staatsarchiv Ludwigsburg im Rahmen einer Ausstellung unter dem Titel „Geschichte machen“ zu sehen sind. Es ist ein Projekt, für das sich der Psychologe, der heute im Personalwesen eines Automobilherstellers und als Marktforscher arbeitet, viel Zeit gelassen hat. „Ich weiß, dass das ein großer Luxus ist“, sagt er.

Geht’s wirklich staubig zu in den Archiven?

Aber wer sind nun die Geschichtsmacher und Erinnerungsbewahrer, die Feigl abgelichtet hat? Es seien Menschen die allesamt ein bisschen darunter litten, dass man ihre Tätigkeit für eine staubig-nüchterne halte. Feigl traf sie in 24 Archiven überall im Land. Er stand in wohlausgestatteten Firmenarchiven wie etwa dem der Autoschmiede Porsche, und er stieg in Jagstberg mit einem Archivar unter das Dach eines alten Fachwerkhauses, wo man auf einen Schrank mit wichtigen Funden für das Gemeindearchiv der Stadt im Hohenlohischen gestoßen war. In diesem Fall hieß archivieren erst einmal bergen, wie die Bildserie dokumentiert: Sie zeigt einen Mann mit Mundschutz und Overall, dem einer Spurensicherung ähnlich.

Feigl war aber auch unter der Erde im Barbarastollen im Dreisamtal. Dort lagert die Bundesrepublik ein, was sie für national- und kulturhistorisch wichtig erachtet. Und er traf im landeskirchlichen Archiv in Stuttgart-Möhringen auf 120 Jahre alte Fotoplatten, die den Fotografen durch ihre brillante Schärfe ehrfürchtig auf seine Vorgänger schauen ließen. Und er war natürlich im Staatsarchiv in Ludwigsburg, das sein Projekt unterstützt hat.

Bei den Menschen mit den weißen Handschuhen

Fragt man Feigl, dann würde er sich der Fremdeinschätzung der Archivarbeit sicher nicht anschließen. Denn eine staubige Angelegenheit war sein Ausflug in die Welt der Erinnerungen für ihn nicht. Er ist auf Menschen getroffen, das zeigen seine Bilder, die ihrem vergänglichen Arbeitsmaterial mit Ehrfurcht, Respekt und Vorsicht begegnen – deshalb mit weißen Stoffhandschuhen. Bei Feigl bleiben sie namenlos, sie werden nur ihrem Archivarbeitsplatz zugeordnet. „Ich wollte durch Titel keine Hierarchien aufzeigen“, sagt Feigl. Sein Interesse gilt vielmehr den Menschen, ihren Gesichtern und den Geschichten, die sie erzählen. Vielleicht ist das die Gemeinsamkeit, die Psychologie und Fotografie verbinden. Für sein nächstes Projekt will sich Feigl wieder Zeit lassen: Er fotografiert Familien und ihre Hunde. Die sucht man nicht, die findet man.