Die CDU wirft den Grünen Tabubruch vor, weil sie am Pferdemarktumzug mit einem Themenwagen zu TTIP teilgenommen haben. Beim großen Stadtfest solle Politik außen vor bleiben.

Ludwigsburg - Für die Bürger mag der Ludwigsburger Pferdemarkt 2015 Schnee von gestern sein, für die Christdemokraten im Gemeinderat ist er aber noch immer nicht vorbei: Sie ließen jetzt im Wirtschaftsausschuss noch einmal das Trojanische Pferd aufgaloppieren. Das Holz des Anstoßes: die Grünen hatten sich mit einem Wagen zum Thema Freihandelsabkommen (TTIP) beteiligt – und damit nach Ansicht der CDU gegen das Pferdemarktreglement verstoßen. „Wir wollen nicht, dass der Umzug politisch instrumentalisiert wird“, sagte der Fraktionsvorsitzende Klaus Herrmann. Der Pferdemarkt sei schließlich kein Karneval.

 

„Pfiffiger Beitrag“

„Das hölzerne Pferd war schon rein optisch ein Zugewinn“, widersprach Armin Haller (Grüne). Der Ortsverband habe damit auf künstlerische Weise ein Thema aufgegriffen, für das es sich zu engagieren lohne. „Wir haben aber bewusst keine Parteipolitik betrieben und weder Grünen-Fähnchen geschwenkt noch Parolen gerufen.“ So etwas gehöre selbstverständlich zu einer aktiven Bürgergesellschaft, sagte Haller. Die Proteste der CDU hält er für überzogen: „Wenn es Statuten gibt, die das verbieten, was wir gemacht haben, dann sollten wir sie schleunigst ändern.“

Politische Parteien, die sich nicht politisch äußern dürfen, hält Annegret Deetz (SPD) für widersinnig. Im Übrigen seien TTIP und die Folgen auch kein rein grünes Thema. „Wenn uns die Grünen eingeladen hätten, wäre ich auch mitmarschiert“, sagte Deetz. „Das mit dem hölzernen Pferd zum Pferdemarktumzug war doch ein pfiffiger Beitrag.“

Der Gemeinderat habe schon vor Jahren festgelegt, dass beim Pferdemarktumzug ausschließlich die Stadtgeschichte thematisiert werden solle, entgegnete Herrmann. „Wir haben nichts dagegen, wenn die Grünen mitlaufen, aber sie müssen sich ans Konzept halten.“ Andernfalls könne demnächst auch die Bürgerinitiative Oßweil am Umzug teilnehmen und in Sachen Waiblinger Straße demonstrieren. „Das will ich aber nicht“, sagt Herrmann.

„Der Umzug ist ein Familienfest, bei dem die Kinder darauf warten, dass Bonbons geworfen werden“, sagte Jochen Eisele (FDP). „Da sollten keine Flyer zu TTIP verteilt werden.“ Auch die CDU habe sich schon einmal mit einem Wagen am Umzug beteiligt, der Hirsch und Greif zeigte, sagte Herrmann. Damit wollte man darauf hinweisen, wie sich Ludwigsburg verhielt, als Baden und Württemberg zu einem Land vereinigt wurden. „Allerdings haben Sie damals CDU-Fähnchen geschwenkt“, warf die Grünen-Stadträtin Edith Haberzeth-Grau ein.

Sauber und ordentlich

Dass der Wagen mit dem hölzernen Pferd am 17. Mai überhaupt durch die Stadt zuckeln konnte, haben die Grünen einem Kommunikationsproblem in der Stadtverwaltung zu verdanken. Der Oberbürgermeister hatte den Beitrag eigentlich untersagt, aber diese Weisung war nicht rechtzeitig weitergegeben worden. Er habe aber nur eingreifen wollen, weil ihn das Reglement dazu gezwungen habe, betonte Werner Spec. „Es ging nur darum, dass für alle die gleichen Zugangsvoraussetzungen gelten mussten“, meinte der OB. „Ich bin bei diesem Thema leidenschaftslos. Der Gemeinderat ist da völlig frei in seiner Entscheidung.“ Wichtig sein nur ein klares Konzept.

Wer eine Änderung wolle, könne diese jetzt herbeiführen, meinte der Oberbürgermeister. Doch einen entsprechenden Antrag wollten weder die Grünen noch die SPD stellen. CDU, FW und FDP fanden die bisherige Regelung ohnehin in Ordnung. „Der Umzug soll vor allem sauber und ordentlich sein“, sagte Elke Kreiser (CDU). Holger Schumacher, der Leiter des Eigenbetriebs Tourismus und Event schlug vor, die Parteien könnten beim nächsten Pferdemarkt wieder einmal gemeinsame Sache machen, wie im Jubiläumsjahr 2009: „Das war ein Superengagement, bei dem sich auch alle an die Vorgaben zur Stadthistorie gehalten haben.“

Chance vertan

Kommentar - Da ist es den Grünen gelungen, einen Trojaner in den Ludwigsburger Pferdemarkt zu schleusen, und dann soll das folgenlos bleiben? Kaum zu glauben, aber die Mehrheit im Wirtschaftsausschuss hat entschieden: Alles bleibt, wie es ist – weil es Grüne und Sozialdemokraten versäumt haben, einen entsprechenden Änderungsantrag zu stellen. Dabei könnte der Pferdemarktumzug durchaus eine Frischzellenkur gebrauchen.

Da können sich das Ludwigsburger Tourismusmanagement und die Beharrungsfraktionen CDU und FDP noch so demon-strativ auf die Schultern klopfen. So prickelnd war der Pferdemarkumzug in diesem Jahr nicht. Und niemand würde mehr ein Wort darüber verlieren, hätten die Grünen nicht den bescheidenen Hinweis auf TTIP eingeschmuggelt. Zugegeben, der Streit um das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA ist kein genuin Ludwigsburger Thema – und hat sich als solches bisher auch noch nicht in der Stadtgeschichte niedergeschlagen. Aber es geht dabei um Dinge, die vermutlich schon bald alle betreffen werden – auch die so sehr in ihre eigene Geschichte verliebten Ludwigsburger.

Die Debatte um TTIP hätte die Möglichkeit geboten, das eigene historische Verständnis zu überprüfen und bei der Gelegenheit einmal wieder das politische Profil zu schärfen. Stattdessen verbannen die konservativen Parteien politische Statements in den Bereich des Klamauks, der seinen Platz im Karneval hat. Und wenn sie von der Stadthistorie reden, meinen sie Nostalgie pur. Geschichte ist demnach das, was uns garantiert nichts mehr angeht, Unterhaltung für Kleinkinder.

Es ist unverständlich, dass die Grünen diese Chance vertan haben. Sie konnten mit ihrem Hölzernen Pferd eine überfällige Diskussion anzetteln, bekamen dann aber Angst vor der eigenen Courage.