Der Ludwigsburger Maler und Fotograf Lukas Günther macht aus der Notwendigkeit des Essens Kunst. Entstanden ist ein Bildband über die Vielfalt der Esskultur.
Ludwigsburg - Der durchschnittliche Deutsche isst im Laufe seines 70 Jahre währenden Lebens 1400-mal sein Gewicht. Allein die Menge an Brot erreicht die Höhe der Zugspitze. Dazu kommen drei Ochsen, vier Kälber, acht Schweine, vier Hammel, 300 Hühner und 75 Gänse. Von den 200 Schwimmbäder füllenden Mengen an Bier gar nicht zu reden. Wir wissen nicht, wie die Statistiker zu ihren beeindruckenden Zahlen kommen, aber Lukas Günther hat sich davon leiten lassen. Er fragte sich: Wenn wir schon so viel verspeisen, welche Rolle spielt dann eigentlich das Essen in unserem Leben? Und wie gehen die verschiedenen Kulturen damit um?
Fünf Jahre lang hat der Ludwigsburger seinem täglichen Essen besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Bevor er sich zu Tisch setzte, fotografierte er all das, was er sich wenig später einverleibt hat. Und das in 19 Ländern auf drei Kontinenten. Herausgekommen ist ein wildes Spektrum an Farben und Formen.
Von lecker bis eklig
Der Maler, Fotograf und Kunsterzieher hat eine Auswahl getroffen und daraus nun ein Buch gemacht. „Eat It!“ heißt der Bildband, der leider nicht nur Appetitanregendes versammelt – und deshalb auch deutlich mit der gewohnten Optik der hochartifiziellen Kochbuch-Fotos bricht.
„Ob wir etwas lecker oder eklig finden, hängt natürlich auch mit der Kultur zusammen, in der wir aufgewachsen sind“, sagt Günther und deutet auf exemplarische Bilder in seinem Buch: etwa eine Schüssel mit Fleischbrocken, die mit glibberig grüner Soße überzogen sind (Bangkok), einen Teller mit pampigschwarzen Nudeln (eine Pasta Negra aus Venedig) oder einen zünftigen Brotzeitteller, den er im heimischen Ludwigsburg genießen durfte.
Komparatistik des Essens
Den rechten Blickwinkel für seine Kamera hat der 28-Jährige erst mit der Zeit herausgefunden. Doch dann hat er versucht, aus immer gleicher Perspektive zu fotografieren. „Ich möchte, dass die Betrachter dieser Bilder miträtseln“, sagt Günther. „Sie sollen nach Zeichen suchen, die verraten, wo ich gegessen haben könnte.“ Darum hat er auf Bildunterschriften verzichtet. Wer aber keine Lust auf Ratespiele hat, kann alles im Anhang nachlesen: dort sind Daten und Ortsnamen aufgelistet.
Annika Plank, die 2010 als Co-Kuratorin an der Ausstellung Eat Art im Stuttgarter Kunstmuseum mitgewirkt hat, spricht in einem Vorwort zu Günthers Buch von einer Komparatistik des Essens: „So sehr sich die Gerichte auch unterscheiden, immer wird ein Formwille, eine Ästhetik des Essens offenbar, die weit über bloße Nahrungsaufnahme oder geschmackliche Kriterien hinausgeht.“ Der Sternekoch Laurent Durst von der Alten Sonne Ludwigsburg fühlt sich bei manchem Menu an die Kindheit erinnert: „An bestimmte Momente von Fürsorge und Geborgenheit“.