Die Ludwigsburger Verwaltung will die Bundesstraße 27 verlegen. Die Anwohner erteilen den Plänen eine Abfuhr.

Ludwigsburg - Die Ludwigsburger Stadtverwaltung hat zwar mit viel Gegenwehr gerechnet, aber dass der Aufschrei gegen die Westumfahrung so laut ausfallen würde, hat dann doch überrascht. „Ich bin beeindruckt“, sagte der Baubürgermeister Michael Ilk angesichts der Menschenmenge, die am Montag zur Informationsveranstaltung in die Mehrzweckhalle Eglosheim gekommen war. In mehr als 20 Berufsjahren habe er es nicht erlebt, dass in so kurzer Zeit so viele Bürger mobilisiert worden seien. Die meisten der etwa 700 Eglosheimer und Asperger protestierten mit programmatischen T-Shirts, Transparenten und Trillerpfeifen „gemeinsam gegen H4B4!“. Eine Umgehungsstraße entlang der Autobahn und der Bahn werde es mit ihnen nicht geben.

 

Sturm der Entrüstung

H4B4 ist ein Kürzel, das die Planer dem Alternativprojekt zu einer Untertunnelung der B 27 verpasst haben. Es steht für die Verlegung der Bundesstraße aus der Ortsmitte an den Rand: auf eine Trasse parallel zu den Bahngleisen und zur Autobahn. Der bisher durch den Ortskern von Eglosheim geführte Verkehr soll auf Höhe der Reuteallee in Richtung Asperg und an der A 81 entlang bis zur Ausfahrt Ludwigsburg-Nord geleitet werden. Geschätzte Kosten: 150 Millionen Euro. Die Idee war 2008 als eine mögliche Bauvariante in die Broschüre „Entwicklungsperspektive West“ aufgenommen worden. Wegen der Finanzkrise seien diese Pläne nicht weiterverfolgt worden, sagte Ilk. Ende Mai hat Oberbürgermeister Werner Spec den Entwurf wieder hervorgeholt und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Ilk hatte am Montag seine liebe Not, die aufgebrachten Zuhörer zu beschwichtigen: Leider sei der Eindruck entstanden, „dass sofort gebaut wird und wir ganze Straßen und Häuser einreißen müssen“, sagte er. Aber das Gegenteil sei der Fall: „Wir sind ganz am Anfang und nichts ist beschlossen.“ Es gehe bisher nur darum, Perspektiven der Stadtentwicklung vorzustellen, sagte Gunter Kölz vom gleichnamigen Planerbüro, der als Unterstützer des Bürgermeisters fungierte. „Ich habe das nicht geplant und ich bin auch nicht Partei“, sagte er. „Aber ich möchte Ihnen zeigen, welch dickes Brett zu bohren wäre, wenn das realisiert werden sollte.“ Zeitweise gingen seine Ausführungen im Gejohle und Gelächter der empörten Anwohner unter. Die einen schreckt die Aussicht auf turmhohe Schutzwände, andere fürchten gar den Abriss ihres Hauses.

Der Bauexperte erläuterte, welcher Lärmschutz nötig werde, wenn die vierspurige Umgehungsstraße zur bis dahin auf acht Spuren verbreiterten Autobahn hinzukäme. Er glaubt, dass das Projekt um eine Einhausung ergänzt werden muss – das heißt: Autobahn und Umgehungsstraße würden in einer Art Tunnel verlaufen. Am meisten fühlen sich Anwohner aus dem Quartier Finkenweg, Johannes-Buhl-Straße und Tammer Straße herausgefordert. Deutlich unklarer sind die Pläne für die Parallelstraße entlang der Bahn. „Das muss erst noch auf seine Machbarkeit hin untersucht werden“, beteuerte Kölz. Die Trasse müsse mehrmals die Gleise queren“, sagte Ilk: „Wir wissen noch nicht, ob ober- oder unterirdisch.“

„Nur noch ein Verkehrswegeplan“

Während der Baubürgermeister betonte, dass eine Untertunnelung der B 27 an der bisherigen Route nicht in Frage komme, weil das mehr Verkehr anlocke, traten die von einer möglichen H4B4-Trasse geplagten Bürger genau für diese Variante ein. Andernfalls könne nicht von einer Verkehrsberuhigung für Eglosheim gesprochen werden: „Das ist nur eine Verlagerung, die noch mehr Lärm und mehr Feinstaub bringt.“ Auch aus ökologischer Sicht seien die Pläne ein Fiasko, meinte die Grünen-Stadträtin Christine Knoß. Das wenige Grün in Eglosheim werde damit auch noch vernichtet. Die vorgelegten Pläne seien dilettantisch, schimpfte ein Anwohner. „Die Stadt ist versaut“, meinte ein anderer. „Ludwigsburg ist nur noch ein Verkehrswegeplan.“

Totes Pferd

Kommentar - Wenn du ein totes Pferd reitest, steig ab“, rief jemand aus dem Saal den Referenten am Pult der Eglosheimer Mehrzweckhalle zu – und erntete dafür viel Applaus. Obwohl der Mann mit dieser vermeintlichen Weisheit der Dakota aussprach, was viele im Saal dachten, trug es wenig zur Beruhigung bei. Bei den meisten Anwohnern überwiegt die Furcht, die Stadtverwaltung werde das „tote Pferd“ Südwestumfahrung weiterreiten – komme was da wolle.

Da der Oberbürgermeister noch nicht gesagt hat, warum er gerade jetzt dieses Projekt aus der Schublade geholt hat, scheint ein gewisses Misstrauen angebracht. Gibt es bisher nicht bekannte Gründe, die es sinnvoll erscheinen lassen, die Variante H4B4 durchzuboxen? Gegen alle Widrigkeiten und Widerstände? Die Bürgerinformation wäre eine gute Plattform gewesen, um sich zu erklären. Aber Werner Spec blieb der Veranstaltung fern und schickte stattdessen den Baubürgermeister in die Höhle des Löwen.

Dass die Umfahrung mit ihnen nicht zu machen sein wird, haben die mehreren hundert Bürger aus Ludwigsburg und Asperg am Montag allein durch ihre schiere Masse demonstriert. Sie sind davon überzeugt, das sich die Stadt vergaloppiert hat und sie werden das Projekt mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen. Diese Machtdemonstration war eindeutig und sie hätte vollauf genügt. Auch deshalb war es unnötig, dass man immer wieder verbal auf die Vertreter der Stadt eingeprügelt hat. Die Abordnung, die gekommen war, um zu informieren, ständig mit Pfiffen und Buhrufen zu unterbrechen oder auszulachen, zeugt von schlechtem Stil. So mancher Zwischenruf war einfach nur unverschämt.

Über dem verständlichen Ärger der unmittelbar Betroffenen sollte das Grundübel nicht vergessen werden: die Lärm- und Schadstoffbelastung an der Frankfurter Straße ist enorm und sie nimmt weiter zu. Mag sein, dass die Pläne für die H4B4-Trasse ganz schnell wieder kassiert werden – weil sie sich wegen der hohen Kosten oder wegen des massiven Widerstands als unrealisierbares Hirngespinst erwiesen haben. Damit aber wäre das stadtplanerische Problem nicht gelöst.

Es wäre schön, wenn die Allianz, die sich jetzt formiert hat, auch dann noch weiter bestehen würde – um in gemeinsamen Aktionen an einer Lösung für den gesamten Stadtteil zu arbeiten.