Um der steigenden Zahl an Neuankömmlingen im Kreis gerecht zu werden, sollen im kommenden Jahr insgesamt bis zu 600 Flüchtlinge in Ludwigsburg unterkommen, etwa in den neuen Sammelunterkünften im Riedle oder in Sonnenberg.

Ludwigsburg - Dem Kreis steht das Wasser bis zum Hals“, sagt Ludwigsburgs Erster Bürgermeister Konrad Seigfried zur schwierigen Suche nach Flüchtlingsunterkünften. Deshalb wird die Stadt mit dem zuständigen Kreis in Zukunft deutlich mehr Raum für Asylbewerber bieten als bisher. Im vergangenen Herbst lebten 121 Flüchtlinge in Ludwigsburg, in einer einzigen Sammelunterkunft in der Weststadt. Seitdem hat die Zahl der Flüchtlinge jedoch stark zugenommen. Stand heute haben bereits 284 Migranten eine Bleibe in der Barockstadt gefunden. Seit dem vergangenen Herbst wurden die neu ankommenden Flüchtlinge zusätzlich in Hohen-eck, Eglosheim, in einem früheren Hotel in Grünbühl sowie in den Bezirken Mitte, Ost und West untergebracht.

 

Im Spätsommer ist die Zahl der Flüchtlinge jedoch noch einmal deutlich angestiegen: In der ersten Jahreshälfte waren es rund 75 Neuankömmlinge im Kreis pro Monat. Bis August wurden auf diese Weise 600 Asylbewerber aufgenommen. Dann kamen jedoch neue Prognosen: Demnach muss der Kreis im Jahr 1300 Menschen, die auf der Flucht sind, ein Dach über dem Kopf bieten – wie Jürgen Vogt, Dezernent für die Bereiche Recht, Ordnung und Verkehr im Landratsamt dem Ludwigsburger Gemeinderat in seiner Sitzung am Mittwochabend berichtete.

Bis zu 200 Flüchtlinge sollen in Sonnberg unterkommen

Die Flüchtlinge werden nach einem bestimmten Schlüssel auf die Kommunen verteilt. Bis zum vergangenen Herbst gab es zehn Unterkünfte in acht Gemeinden des Kreises. Zum 1. Oktober sind es 49 Unterkünfte in 21 Gemeinden. Allein in Ludwigsburg sollen im Laufe des kommenden Jahres mehr als 600 Flüchtlinge leben. „Und das ist noch nicht das Ende“, sagt Bürgermeister Seigfried.

„Ganz schnell“ soll eine temporäre Sammelunterkunft in einem leer stehenden Wohnblock in Sonnenberg eingerichtet werden. In 25 großen Wohnungen sollen bis zu 200 Flüchtlinge unterkommen. „Hier geht es dem Kreis um jeden Tag“, sagt Seigfried. In rund einem Monat sollen dort Flüchtlinge einziehen. Allerdings nur für zwei Jahre, dann wird das Gebäude der Wohnungsbau Ludwigsburg (WBL) abgerissen. Die Betreuung der Flüchtlinge im Sonnenberg soll ein Mitarbeiter des Landratsamts mit einer 100-Prozent-Stelle übernehmen. „Von der Betreuung durch den Kreis erhoffe ich mir noch mehr“, sagt Seigfried und verweist auf die Razzia in der Sammelunterkunft in Hoheneck am vergangenen Donnerstag. „Es kann nicht sein, dass dort eine Situation entsteht, in der Diebesgut und Drogen gelagert werden.“

Eine zweite, kleinere Sammelunterkunft soll auf einer Freifläche neben der Obdachlosenunterkunft im Riedle entstehen. Hier könnten der Kreis oder die WBL Container für 60 bis 80 Flüchtlinge aufstellen. In Neckarweihingen sollen 30 bis 40 Asylbewerber in einem Haus eine Bleibe finden. Ebenso 20 Flüchtlinge in Oßweil. „Es ist positiv, dass die Flüchtlinge nun über die Stadt verteilt sind“, sagt Seigfried.

Die Stadt stellt dem Kreis Forderungen

Der erste Bürgermeister betont, dass Ludwigsburg eine „offene Stadt mit Willkommenskultur“ ist. Gleichzeitig stellt die Stadtverwaltung gegenüber dem Kreis Forderungen auf. So sollen Stadtteile, die im Rahmen des Projekts soziale Stadt aufgewertet wurden, keine Unterkünfte bekommen. Außerdem fordert Seigfried, dass der Kreis weiterhin anerkennt, dass die Barockstadt eine große Sammelunterkunft in der Weststadt bereitstellt. Dadurch musste Ludwigsburg bisher relativ wenige Flüchtlinge, die das Asylverfahren ohne Erfolg durchlaufen haben, in eine sogenannte Anschlussunterbringung nehmen. Das soll so bleiben, sagt Seigfried.

Volker Henning, Leiter des Fachbereichs Bürgerschaftliches Engagement, lobte den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer der Kirchen und des Arbeitskreises Asyl. „Die solidarische Herausforderung und Verpflichtung gilt der gesamten Bevölkerung“, sagte Oberbürgermeister Werner Spec am Mittwoch im Gemeinderat.

Im Strohgäu helfen Nachbarn bei der Integration

Bürger wollen den Neuen helfen

Der Kreis bringt in zwei Kommunen des Strohgäus erstmals Flüchtlinge unter. Vor allem in Korntal setzt man auf Integration durch Nachbarn.

Der Flüchtlingszustrom treibt zuweilen kuriose Blüten. Eher durch Zufall habe er Anfang September erfahren, dass die ersten zugewiesenen Asylbewerber schon im Korntaler Rathaus stünden, berichtete der Stadtjugendpfleger Matthias Rees. Sie leben nun in einem Haus im Ortskern, das eine Wohnbaugesellschaft an den Kreis vermietet hat. Gestern wurden die Familien vom Bürgermeister begrüßt. „Wir wollen unseren Teil beitragen, den Menschen zu helfen“, sagte Joachim Wolf. „Und wir wollen Ihnen das Gefühl geben, dass sie willkommen sind – ohne eine Wertung Ihres Aufenthaltsstatus. Sie sind einfach Gäste in unserer Stadt.“

In Korntal-Münchingen setze man auf die Bürger, sagte Wolf, wohlwissend um die personellen Engpässe beim eigentlich zuständigen Landratsamt. Bei einer Infoveranstaltung für die Nachbarn habe er das Gefühl bekommen, dass diese die Neuen „sehr offenherzig aufnehmen“. Eine Frau habe schon angeboten, eingehende Spenden zu koordinieren. Zudem komme Hilfe vom Arbeitskreis Asyl, der schon länger die Flüchtlinge mit abgeschlossenem Verfahren betreue. Vier jüngere Kinder habe man so auch schon problemlos in Kindergärten und einer Schule unterbringen können.

Ein Arbeitskreis Asyl wird sich kommende Woche auch in Ditzingen gründen. Initiiert hat das Treffen der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Ditzingen, Friedrich Zimmermann. „Das große Leid und Elend, das einem täglich vor Augen geführt wird, motiviert mich, nicht wegzuschauen“, sagt er. Eingeladen haben jedoch die evangelische und katholische Kirchengemeinde Ditzingen sowie die Stadtverwaltung gemeinsam. „Ich bin froh, dass wir in dieser konzertierten Aktion diese Gründungsversammlung beschlossen haben“, sagt Zimmermann. Das Treffen findet am Mittwoch, 8. Oktober, 19.30 Uhr, im Treffpunkt Adler am Laien statt. jsw/fk