Alkoholexzesse, Müllberge, Schlägereien: mit härteren Strafen will die Verwaltung die Missstände am Ludwigsburger Akademiehof und Bahnhof in den Griff bekommen. Auch über Videoüberwachung und Alkoholverbote wird nachgedacht.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Falls Werner Spec noch einen Beweis gebraucht hat: kürzlich hat er ihn bekommen. Am Akademiehof müsse dringend etwas passieren, sagt der Ludwigsburger Oberbürgermeister, die Stadt werde „Kante zeigen“, so gehe es nicht weiter. Er spricht über Alkoholexzesse, „Wildpinkler“, „unglaubliche Müllberge und Scherbenhaufen“. Gewalt war bisher selten ein Thema auf dem Platz, der an Wochenenden regelmäßig bis zu 600 Nachtschwärmer anzieht, junge Erwachsene, Schüler, Studenten. Doch am Samstag vor einer Woche sah sich die Polizei nach einer Ermahnung plötzlich mit 25 aufgebrachten Jugendlichen konfrontiert, die Lage drohte zu eskalieren. Die Beamten mussten weitere Streifen anfordern, ein 16-Jähriger wurde in Handschellen abgeführt.

 

Was am Akademiehof die Ausnahme ist, gehört am Bahnhof zur Polizeiroutine, dort kommt es regelmäßig zu handfesten Auseinandersetzungen. Die Probleme an den am stärksten frequentierten Treffpunkten der Stadt sind unterschiedlich, aber beide Plätze stehen vor einer Zäsur: Die Verwaltung kündigt einen härteren Kurs an und will so die Missstände in den Griff bekommen.

Die Polizei greift härter durch: auch mit Platzverweisen

Am Akademiehof ist die neue Gangart bereits spürbar. Seit drei Wochen sind in den kritischen Zeiten ununterbrochen Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) oder der Polizei präsent. „Wir haben die Anstrengungen deutlich intensiviert“, sagt der KOD-Leiter Christoph Balzer. Man gehe konsequenter gegen Störer vor, erteile schneller Platzverweise, verhänge schneller Bußgelder. Auch wer im Zustand „deutlicher Trunkenheit“ angetroffen werde, müsse damit rechnen, des Platzes verwiesen zu werden. Das könne so weit gehen, „dass jemand mal eine Nacht im Revier verbringt“.

Spec, Balzer, auch der Ordnungsamtschef Gerald Winkler: sie alle betonen bei jeder Gelegenheit, dass die große Mehrheit stets friedlich feiere und sich nur ein kleiner Teil konsequent nicht an die Regeln halte. Laut einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Umfrage direkt auf dem Platz stört sich der Großteil der Partyszene selbst an den Alkoholexzessen und der zunehmenden Vermüllung. Die Theater- und die Filmakademie haben sich ebenfalls über die Zustände beschwert. Der Betreiber des Parkhauses wird Konsequenzen ziehen und bald nachts alle Zugänge dicht machen, so dass die Garage nur noch mit gültiger Parkkarte erreichbar ist. So soll verhindert werden, dass die Treppenaufgänge weiterhin als Urinal missbraucht werden. „Niemand will den jungen Leuten die Stimmung vermiesen“, sagt Spec. „Der Akademiehof soll nicht steril werden, wir freuen uns, dass er so beliebt ist. Aber es gehört zu unserem Auftrag, die negativen Begleiterscheinungen einzudämmen.“

Der Bahnhof gilt als Anlaufstelle für die Drogenszene

Das gilt noch stärker für den Bahnhof, der als zentrale Anlaufstelle für die Drogenszene im Kreis und zahlreiche Alkoholkranke gilt. Was so gar nicht zu dem von Spec proklamierten Ziel passt, das Gebäude samt Umfeld in einen „Wohlfühlbahnhof“ zu verwandeln. „Die Zustände sind inakzeptabel“, sagt der OB, wobei sich die Problematik nicht auf Müll und Pöbeleien beschränkt. Immer wieder kommt es auch zu Körperverletzungen. Der Betreiber des Gebäudes, eine Immobiliengesellschaft, lässt prüfen, ob es rechtlich möglich ist, in der Empfangshalle Kameras zu installieren. Die Stadt begrüßt den Vorstoß und wäre wohl auch bereit, sich finanziell zu beteiligen. Geht es nach Spec, würde auch der Bereich im Freien bald elektronisch überwacht. Aber die Hürden sind hoch.

Offenbar zu hoch. Zwar registrierte die Polizei in den vergangenen zwölf Monaten 55 Körperverletzungsdelikte in der Bahnhofstraße, aber bevor eine Kommune Kameras an einem öffentlichen Platz installieren darf, muss sie nachweisen, dass dieser als Kriminalitätsschwerpunkt deutlich hervorsticht. „Trotz der Vielzahl der Vorkommnisse liegt der Bahnhof unter der vorgegebenen Schwelle“, erklärt Balzer.

Noch enger ist der Spielraum für Alkoholverbote: Momentan besteht für die Kommune keine Handhabe, in diese Richtung aktiv zu werden. Allerdings lässt das Land aktuell untersuchen, ob und auf welcher Basis die strikten Regelungen aufgeweicht werden könnten. Die zuständige Arbeitsgruppe hat auch in Ludwigsburg angefragt, ob es dort Brennpunkte gibt, an denen ein Alkoholverbot in Betracht komme. In Abstimmung mit der Polizei wurde nach Stuttgart zurückgemeldet: Ja, die gibt es, am Bahnhof. Ende des Jahres wird sich die Regierung erneut mit dem Thema befassen. „Wir hätten zumindest gerne die Möglichkeit, dieses Instrument anwenden zu können“, sagt Spec.

Damit zumindest die optischen Folgen der Gemengelage am Bahnhof schneller beseitigt werden, wird die Stadt künftig mehr Geld für die Reinigung des Umfelds ausgeben. Zudem sollen die Aufräumarbeiten enger mit dem Betreiber des Gebäudes abgestimmt werden. Außerdem setzt Spec wie am Akademiehof auf eine stärkere Präsenz von Polizei und KOD.

Die Polizei sieht Alkoholverbote skeptisch

Die Polizei sieht das Wohlfühlbahnhof-Konzept allerdings durchaus kritisch. „Wir müssen aufpassen, dass wir die Probleme nicht einfach an eine andere Stelle im Stadtgebiet verlagern“, sagt Michael Neuweiler, Führungsgruppenleiter des Ludwigsburger Polizeireviers. Am Bahnhof habe man die schwierige Klientel immerhin einigermaßen im Blick und unter Kontrolle. Eine stärkere Präsenz sei natürlich prinzipiell nichts Schlechtes, aber eben „kein Allheilmittel“. Eine Videoüberwachung würde die Polizei nicht generell ablehnen, aber Peter Widenhorn, der Sprecher der Ludwigsburger Direktion, ist skeptisch. „Damit suggeriert man den Bürgern Sicherheit“, sagt er. „Nur: wer soll dann ständig die Monitore in Blick haben. Das ist eine Frage des vorhandenen Personals.“

Argumente, die Werner Spec so nicht gelten lassen will. „Der Bahnhof ist nicht irgendein Gebäude in unserer Stadt“, sagt er. „Das muss ein Ort werden, zu dem man gern geht, an dem man sich gern aufhält, der sauber ist und an dem sich Menschen sicher fühlen. Wir müssen einfach alles versuchen, um das zu erreichen. Eine Alternative gibt es nicht.“