Am 76. Jahrestag der Pogromnacht wird der neue Synagogenplatz der Öffentlichkeit übergeben. Einer der Gäste ist Harry Grenville. Er hat den Brand des jüdischen Gotteshauses als Kind von seinem Kinderzimmerfenster aus gesehen. Seine Eltern und seine Großmutter wurden von den Nationalsozialisten ermordet.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Harry Grenville sah die Flammen und den aufsteigenden Rauch von seinem Schlafzimmerfenster aus in der Mathildenstraße. Es war der 10. November 1938. Grenville hieß zu diesem Zeitpunkt noch Heinz Greilsamer. Er war zwölf Jahre alt, als die Nationalsozialisten in Ludwigsburg am helllichten Tag die Synagoge in Brand steckten. Seine Eltern und seine Großmutter wurden in Auschwitz und Theresienstadt ermordet. Er selbst überlebte den Rassenwahn des NS-Staates nur, weil ihm 1939 mit einem Kindertransport die Ausreise nach England gelang.

 

Harry Grenville (rechts) hat den Synagogenbrand als Kind erlebt. Foto: factum/Weise
Heute ist Harry Grenville 88 Jahre alt. Zusammen mit seinem Sohn, seinem Neffen und Großneffen ist er nach Ludwigsburg gereist. Er ist einer der Ehrengäste, die zur Feierstunde anlässlich der Pogromnacht in die Stadt gekommen sind. Es ist ein ganz besonderer Jahrestag. Am Montagabend wurde nämlich auch der neu gestaltete Synagogenplatz der Öffentlichkeit übergeben. Dass dies zu einem unrunden Gedenktag, nämlich dessen 76. Wiederkehr geschah, liegt an der Vorgeschichte der Umgestaltung des Platzes. Lange wurde über seine Finanzierung und seine Gestaltung diskutiert. Jetzt ist er fast fertig – im Frühjahr soll noch der endgültige Belag aufgebracht werden.

Heute fühlt sich Harry Grenville von der Stadt umarmt

Grenville dreht den Kopf, schaut auf die andere Straßenseite und sagt: „Das war meine Schule.“ Aber damals, so schildert er wenig später in seiner kurzen Rede den Zuhörern, habe die Stadt ihn ausgeschlossen. Heute hingegen fühle er sich umarmt. „Das ist ein sehr angenehmes Gefühl.“ Danach bittet er um Ruhe und spricht im Stillen das jüdische Totengebet für seine Eltern und seine Großmutter, die zu den deportierten und ermordeten Ludwigsburgern gehören. Die 24 mit Namen beschrifteten Koffer sollen an sie und an all die anderen Bürger erinnern, die damals und in der Folgezeit aus der Stadt getrieben worden sind.

Es ist an diesem Abend viel von Heimat die Rede. Sie sei das, was den Ludwigsburger Juden so grausam entrissen worden sei, sagt Susanne Jakubowski von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg. Albert Sting vom Förderverein Synagogenplatz spricht von der Auflistung aller Namen der jüdischen Gemeindeglieder an den Infostelen als deren zumindest virtuelle Rückkehr in die Heimat. Der Oberbürgermeister Werner Spec betont die immerwährende Herausforderung, nicht wegzuschauen, und lenkt den Blick in die Gegenwart, wenn er von der Verantwortung gegenüber den heutigen Flüchtlingen auf der Suche nach Heimat und Schutz spricht.