Die Wirklichkeit ist oft besser als die Dichtung. Im Fall des Fälschers Konrad Kujau gilt das auf alle Fälle. Ein Gespräch mit der Ludwigsburger Archivarin Elke Koch über die Kunst des Fälschens, die Bereitschaft, sich betrügen zu lassen und das Pech des Auffliegens.
21.01.2013 - 17:52 Uhr
Ludwigsburg Kunstfälschungen umweht der Hauch des Geheimnisvollen. Die Archivarin Elke Koch hat sich auf die Spuren von Kujau und Konsorten begeben. Ein Gespräch über gewissenlose Fälscher und gutgläubige Opfer.
Frau Koch, denken Sie beim Wort Fälschungen auch immer an den Film „Schtonk“ über die falschen Hitler-Tagebücher?
Klar. Ich denke an Kujau, den König der Fälscher, wie er genannt wurde. Er hat ja auch den Titel für unsere Vortragsreihe geliefert.
Von welchen Fälschern berichten Sie heute?
Es geht um Kujau und Konsorten. Ich stelle Kujau vor, aber nicht so sehr den Fälscher der Hitler-Tagebücher, sondern den Kunstfälscher Kujau. Da wird es auch etwas anzuschauen geben. Ich gehe aber auch ausführlich auf einen Fälscherprozess aus den 30er Jahren ein. In diesem Zusammenhang ist mir schon der Gedanke gekommen, ob nicht Gene von diesen Fälschern in Kujau weiterleben. Die beiden ähneln sich so unglaublich. Auch dieser alte Fälscherfall beginnt im Stuttgarter Leonhardsviertel – in Kujaus Quartier. Als sei es ein Kunstfälschungsbiotop. Und der Fall endet damit, dass die Nationalsozialisten eine saubere Kunst lebender Künstler postulierten. Genau die hat Kujau dann in den 80er Jahren geliefert. Der Kreis schließt sich wirklich.
Sie werden Bilder zeigen. Aber die Vorstellung ist doch wahrscheinlich falsch, dass Sie ein Archiv voll gefälschter Gemälde haben?
Das haben wir nicht. Aber ich bin Polizei und Staatsanwaltschaft sehr dankbar, dass sie bei ihren Ermittlungen auch Fotos von Fälschungen in die Akten aufgenommen haben. Irgendwie musste ja belegt werden, was geschehen ist. Außerdem haben wir die Geschichten um die Fotos herum. Und die sind wirklich sehr unterhaltsam.
Was wird angeklagt, wenn wir umgangssprachlich von Kunstfälschung sprechen?
Das Hauptdelikt ist Betrug. Je nachdem, wie die Fälscher vorgegangen sind, kann es sich auch noch um Urkundenfälschung handeln, wenn Unterschriften gefälscht wurden. Und es kann um eine Verletzung des Urheberrechts gehen, wenn der Künstler noch keine 70 Jahre tot ist. Für die Justiz ist Kujau ein Betrüger.
Gibt es denn Rahmenbedingungen, die Fälscher in ihrem Tun begünstigen?
Ja. Der Kunstmarkt ist ein Biotop, in dem sich Fälscher und Opfer finden. Es gehört der gewissenlose Fälscher dazu. Ein bisschen Dummheit scheint mir wirklich bei vielen Opfern mitzuspielen. Ein wenig Schnäppchenmentalität außerdem noch. Denn fast immer werden die Werke unter etwas eigenartigen Umständen erworben. Viele Käufer sind bereit, Geld aus vielleicht unsauberer Quelle anzulegen. In dem 30er-Jahre-Fall ist zudem eine herzzerreißende Unbedarftheit der Leute zu beobachten. Sie hatten keine Vergleichsmöglichkeit und haben trotzdem nicht die Finger von solchen Geschäften gelassen und sind so auch auf eine dubiose Kette von Zwischenhändlern reingefallen und haben Bilder mit unklarer Herkunft gekauft. Bis heute tauchen in vielen Fällen bis dato unbekannte Kunstsammlungen auf.
Aber es gibt doch Gutachter?
In vielen Fällen gehören auch unsaubere Gutachter als Teil der Kette zum Geschäft. Manchmal, weil er Fehler macht und manchmal, weil er unlauter ist und so Teil – oft aus finanziellen Interessen – der Betrugskette wird. Ein Doktortitel ist übrigens sehr hilfreich.
Fälscher brauchen also neben einer gehörigen Portion Handwerk einen großen Apparat?
Daran scheitern sie dann ja immer. Es reicht nicht aus, ein Bild gut zu malen. Ein Fälscher braucht ein Verbreitungsnetzwerk und Herkunftsgeschichten für seine Bilder. Die Fälschungen, die entdeckt wurden, sind an einer dieser Sachen gescheitert. Und irgendwann triumphieren die Naturwissenschaften.
Indem sie Fälschungen nachweisen kann?
Ja. Andere Warnsignale werden durch die naturwissenschaftlichen Methoden einfach hieb- und stichfest. Schon in dem Fall aus den 30er Jahren wurde der Fälschungsbeweis durch ein noch heute tätiges Münchner Institut erbracht. Das hat damals eine Lumineszenzlampe benutzt und damit die Fälschung bewiesen. Zu angreifbaren Einschätzungen und Expertisen kamen so die knallharten Fakten der Chemie.