Alles, was rumliegt, landet in den meisten Haushalten in der Tonne. Inge Vogt hat diese Lebensmittel in eine griffige Abkürzung verpackt und zur kreativen Resteverwertung einen Kochkurs konzipiert.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Ludwigsburg - Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, findet überall Zutaten. So macht es Ingrid Vogt. Weil an ihrer Arbeitsstelle immer so viel Kaffee übrig blieb, kam sie auf die Idee mit der Kaffeecreme. Aus dem im Garten wildernden Topinambur, machte die 51-Jährige einfach eine Suppe. Altes Brot veredelt sie zu schwäbischer Bruschetta , und übriges Vanillejoghurt gibt sie in die Salatsoße zum Chinakohl. Solche Ideen zu haben, sind aber auch ihr Job: Ingrid Vogt ist landwirtschaftstechnische Lehrerin am Ernährungszentrum Mittlerer Neckar. Mit der griffigen Abkürzung Awaruli fasst sie diese Vorgehensweise zusammen – aus allem, was rumliegt, lässt sich noch viel machen. In einem Kochkurs zeigt sie, wie es geht.

 

Aber zunächst will Ingrid Vogt mit Zahlen überzeugen. Zum Beispiel mit den elf Millionen Tonnen Lebensmittel, die jährlich in Deutschlands Mülleimern landen. 61 Prozent davon stammen vom Verbraucher. Das entspricht 82 Kilogramm pro Kopf pro Jahr. „Damit man sich eine Vorstellung machen kann: das sind zwei gut gefüllte Einkaufswagen“, erklärt die Lehrerin. Bei fast der Hälfte davon handelt es sich um Obst und Gemüse, bei 20 Prozent um Brot und Nudeln. Speisen, Milch, Milchprodukte, Getränke, Fleisch und Fisch machen den Rest aus. „Die gute Nachricht ist: Man kann etwas dagegen tun“, sagt Ingrid Vogt.

„Mir tut es richtig weh, etwas wegzuwerfen“

Rund 20 Teilnehmer machen beim Awaruli-Kochkurs im Ernährungszentrum mit. Immer zu zweit kochen sie ein Rezept aus dem Heft von Ingrid Vogt nach. „Mir tut es richtig weh, etwas wegzuwerfen“, sagt Andrea Wildermuth. Die 49-Jährige will Anregungen, damit aus zu viel gekochter Pasta nicht immer nur Schinkennudeln werden. Sie koche viel, für bis zu acht Personen, und dann bleibe auch viel übrig. Und dieser Rest bleibe oft im Kühlschrank liegen. Auch beim Einkaufen lande manchmal zu viel im Wagen,. vor allem Obst und Gemüse„Wir sind eben keine Kriegskinder mehr“, sagt die berufstätige Mutter aus Freiberg.

Den Wintersalat mit Walnussstückchen hat sich Andrea Wildermuth aus dem Rezeptheft von Ingrid Vogt ausgesucht. Die Blätter des Zuckerhuts am Stück waschen, lernt sie dabei. Auch die bitteren Sorten nicht in warmem Wasser baden, sonst verlieren sie Vitamine. Salat nicht schneiden, nur reißen, sonst wird er braun. Karotten und Radieschen halten ohne Grün länger, lautet noch so ein Tipp. Und Äpfel und Kartoffeln unbedingt getrennt lagern, weil sie sich gegenseitig bei der Reifung beschleunigen. In die Salatsoße von Andrea Wildermuth kommt Essig, Öl, das Vanillejoghurt, Apfelsaft, Salz, Pfeffer, Senf und eine kleine Zwiebel – alles, was rumliegt eben. Ihre Freundin Petra Sigle macht die schwäbische Bruschetta, mit der Mann alte Brotscheiben, Käse-, Sahne- und Milchreste vom Tisch bekommt. „Der Kurs ist sehr lehrreich“, sagt die 44-Jährige aus Asperg. Ihr neuester Trick gegen verwelkte Lebensmittel: Vorratskochen am Wochenende. Das sei besser, als Lebensmittel auf Vorrat zu kaufen und liegen zu lassen.

Verantwortlich mit den Ressourcen umgehen

Ingrid Vogt will verantwortlich mit den Ressourcen umgehen. Sicher liegt es an den vielen Zahlen, die sie im Kopf hat. Zum Beispiel, dass die Hälfte der weltweit erzeugten Lebensmittel auf dem Müll landet, weil sie westlichen Schönheitskriterien nicht entsprechen. Zum Umgang mit alten Äpfeln oder einem abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatum hat sie einen simplen Rat: „Es ist mehr essbar, als man glaubt.“ Zumal die hohe Nachfrage nach frischen Lebensmitteln neben der Umwelt auch die Menschen auf der Südhalbkugel durch hohe Preise belaste Preise. Einkaufen nach Plan lautet deshalb Ingrid Vogts wichtigste Regel nach der Resteverwertung. Im Herbst findet der nächste Awaruli-Kochkurs statt.