Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen einen mutmaßlichen Wachmann in Auschwitz eingeleitet. Es basiert auf den Recherchen der Ludwigsburger Zentralen Stelle zur Aufklärung von Naziverbrechen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Recherchen aus Ludwigsburg haben die Stuttgarter Staatsanwaltschaft auf die Spur eines mutmaßlichen Aufsehers des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau geführt. Die Behörde bestätigt jetzt erstmals, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann eingeleitet wurde. Ihm werde Beihilfe zum Mord vorgeworfen, sagt eine Sprecherin.

 

Die Ermittlungen basieren auf Erkenntnissen der in Ludwigsburg ansässigen Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. Deren Leiter Kurt Schrimm will sich derzeit nicht zu dem Fall äußern. Falls die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, steht die Stuttgarter Justiz vor einem spektakulären Prozess. Der Beschuldigte lebt nach Informationen der Stuttgarter Zeitung in Deutschland. Allerdings sind Ermittlungen gegen NS-Verbrecher erfahrungsgemäß kompliziert, weil viele Zeugen längst verstorben sind.

Neue Vorwürfe

Die Vorwürfe gegen den Mann sind offenbar vergleichbar mit jenen gegen einen anderen KZ-Aufseher, gegen den die Staatsanwaltschaft Weiden in der Oberpfalz ermittelt. In diesem Fall hat die Zentrale Stelle herausgefunden, dass der heute 87-Jährige 1942 in die Waffen-SS eingetreten war und 1943 nach Auschwitz versetzt wurde. Nach den Erkenntnissen der Rechercheure in Ludwigsburg leistete er als Wachmann im Vernichtungslager Birkenau zu tausenden Tötungen einen „wesentlichen Beitrag“. Das bayrische Landeskriminalamt habe die weiteren Ermittlungen übernommen, erklärt Gerd Schäfer, der Leiter der Weidener Staatsanwaltschaft. „Es sind noch viele Details zu klären.“ Erschwerend hinzu kommt, dass sich der 87-Jährige im Ausland aufhält.

Urteil gegen John Demjanjuk als neue Wegmarke

Dass die Zentrale Stelle ihre Suche erneut intensiviert, ist auf das spektakuläre Urteil gegen den KZ-Aufseher John Demjanjuk zurückzuführen, den das Münchner Landgericht im Mai 2011 zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Demjanjuk wurde nicht für eine konkrete Einzeltat, sondern als Teil der Mordmaschinerie schuldig gesprochen, was den Fahndern in Ludwigsburg neue Perspektiven eröffnet.

Aktuell wird nach weiteren Mitgliedern der Tötungskommandos gefahndet. „Wir waren wieder in Brasilien und haben dort tatsächlich neue Ermittlungsansätze entdeckt“, berichtet Kurt Schrimm. Es ist bekannt, dass zahlreiche Nationalsozialisten nach dem Krieg mit Ausweisen des Internationalen Roten Kreuzes nach Südamerika geflohen sind. Weshalb die Ermittler in dem Einwanderungsakten nach eben solchen Ausweisdokumenten suchen.

Neue Akten aus Polen

Einen zweiten Fokus legt die Zentrale Stelle auf Weißrussland. „Wir wissen von Massakern, aber in deutschen Archiven gibt es keine Aufzeichnungen“, erklärt Schrimm. In Russland wurden in den 40er Jahren Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene geführt. Aus den Verfahren seien Akten aufgetaucht, so Schrimm. Die Ermittler hoffen, anhand der damaligen Aussagen weitere Täter zu identifizieren.