Die Anwohner fürchten Enteignungen, die Stadträte sind ebenfalls skeptisch: Die Ludwigsburger Stadtverwaltung versucht die völlig aus dem Ruder laufende Debatte um die Verlegung der Bundesstraße wieder einzufangen. Bislang gelingt ihr das nicht.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Die Anwohner sind sauer, der Stadtteilausschuss ist besorgt, die Stadträte sind skeptisch – die Ludwigsburger Verwaltung hat mit ihrem Vorstoß zu einer möglichen Verlegung der B  27 in Eglosheim reichlich Staub aufgewirbelt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die Pläne, die unlängst in einer nichtöffentlichen Sitzung des interkommunalen Verkehrausschusses (Ikarus) hervorkramt wurden, stammen aus dem Jahr 2008 und hatten bereits mächtig Staub angesetzt.

 

Das Konzept sieht vor, die Bundesstraße aus der stark mit Verkehr belasteten Mitte Eglosheims an den Rand zu verlagern und zu überdeckeln. Die B 27 soll sich dort an Bahngleise und die Autobahn anschmiegen. Plötzlich ist die Variante wieder aktuell und der größte Ludwigsburger Stadtteil in Aufruhr. „Viele Leute haben Angst, dass sie ihre Grundstücke verlieren“, sagt Denis Walter, der gerade mit anderen Anwohnern eine Bürgerinitiative aufbaut. „Das ganze Viertel steht hinter uns.“

Die Stimmung vor Ort ist aufgeheizt

Vor wenigen Tagen saß der Baubürgermeister Michael Ilk in Denis Walters Garten, um mit den Betroffenen zu diskutieren. „Die Stimmung ist aufgeheizt“, sagt Ilk. Aber viele Sorgen seien unbegründet und fußten auf falschen Annahmen. Das Rathaus ist sichtlich bemüht, die aus dem Ruder laufende Debatte einzufangen. Am Freitag wurde eine lange Mitteilung verschickt, die Kernbotschaft: Noch sei nichts entschieden. Ludwigsburg stehe bei diesem Vorhaben ganz am Anfang einer Planungsphase, die mehrere Jahre dauern werde. „Alle Interessierten sind dazu eingeladen, sich dabei weiter zu informieren und in die Diskussion einzubringen.“

Der Gemeinderat hat sich lange nicht mit dem Thema befasst, das nun möglichst bald auf die Tagesordnung gehoben werden soll – es dürfte eine lebhafte Diskussion werden. „Wir halten wenig von den Plänen, denn das wäre ein unglaublicher Eingriff in die Landschaft“, sagt Hubertus von Stackelberg von der SPD. Von einer „bürgerfeindlichen Verkehrsplanung“ spricht gar der FDP-Stadtrat Johann Heer.

Die Grünen positionieren sich ebenfalls klar gegen das Vorhaben, weil eine Verlagerung der B 27 das Naherholungsgebiet im Ludwigsburger Westen gefährde und keine wirkliche Verkehrsentlastung bringe. Die Freien Wähler äußern sich zurückhaltend. Noch gebe es zu wenige Informationen, sagt der Stadtrat Hermann Dengel. „Wir müssen erst die weitere Entwicklung abwarten.“ Ähnlich äußert sich Klaus Herrmann von der CDU. „Beim jetzigen Stand ist es zu früh, die eine oder die andere Variante auszuschließen“, sagt er. Die Stadt müsse dringend eine Infoveranstaltung organisieren, um die Wogen zu glätten. Ilk hat für spätestens Anfang Juli eine Bürgerversammlung angekündigt.

Die neue Bürgerinitiative fordert einen Tunnel

Ziel der B 27-Verlagerung ist es, die Mitte von Eglosheim zu entlasten. „Dort lebt eine große Zahl von Menschen mit Lärmwerten, die oberhalb der Grenzwerte liegen“, sagt Ilk. Das müsse man in den Griff kriegen. Zwei Lösungsansätze haben sich herauskristallisiert. Denkbar wäre auch, die B 27 im Zentrum zu belassen, dort aber einen Tunnel zu bauen.

Das ist die Variante, für die sich die neue Bürgerinitiative einsetzt, aber ganz offensichtlich nicht die Stadtverwaltung. Technisch sei der Tunnel wohl machbar, sagt Ilk, aber er sei unkalkulierbar teuer und auch der Nutzen sei nicht sicher – denn die Röhre würde nach Ansicht von Experten nur wieder mehr Verkehr anlocken.

Das Problem ist, dass auch Variante zwei, die B 27-Verlegung, nicht ganz billig wäre. Von grob geschätzten Kosten in Höhe von 130 Millionen Euro ist die Rede. Und nicht nur in der Mitte, sondern auch am Rand von Eglosheim wohnen Menschen. Im dortigen Baugebiet Tammer Straße sind in den vergangenen Jahren viele Gebäude entstanden, die teilweise nah an der Autobahn stehen. Die Stadt argumentiert, dass die Bewohner profitieren würden, wenn mitsamt der verlagerten B 27 auch die A 81 unter einem Deckel verschwinden würde, doch das beruhigt die Gemüter nicht. „Wo soll die B 27 hier denn hin?“, fragt Denis Walter. „Das funktioniert gar nicht ohne Enteignungen und ohne den Abriss von Gebäuden.“

Für das Projekt müssen Gärten verschwinden

Ilk widerspricht – zum Teil. „Die Häuser können alle stehen bleiben.“ Allerdings räumt der Bürgermeister ein, dass im Falle einer Umsetzung mehrere private Gartenflächen für die Trasse benötig würden. Dennoch spricht er hartnäckig von einer Win-Win-Situation. Denn der Deckel über den Straßen könne begrünt werden, so dass dort neue Gärten entstehen könnten. „Darüber muss man einfach mal in Ruhe reden. Die Urangst, dass den Menschen plötzlich ein Enteignungsbescheid ins Haus flattert, ist unbegründet.“ Schließlich stehe man nicht kurz vor dem Baggerbiss. „Es wird noch viele Verhandlungen geben, Und die Bürger werden in jeder Phase beteiligt.“

Tunnel oder Verlegung – letztlich entscheidet das der Gemeinderat in Abstimmung mit den Gremien in Tamm und Asperg, die von dem Projekt ebenfalls betroffen sind. Entscheidend ist auch, wie sich der Bund und das Land positionieren, die den Umbau zu großen Teilen finanzieren müssten. Im nächsten Schritt müssen die Stadträte aber zunächst beschließen, ob die Stadt überhaupt tiefer in die Planung einsteigen soll. Ein Ja ist angesichts des Widerstands keinesfalls sicher, weshalb Ilk vorsorglich schon jetzt an die Stadträte appelliert: „Wir sollten uns keine Lösung verbauen, sondern uns die Möglichkeit geben, alle Varianten sorgfältig zu prüfen.“