Im Ludwigsburger Freigängerheim werden Straftäter am Ende ihrer Haft auf ein Leben in Freiheit vorbereitet. Drei Bewohner haben das eigenwillig ausgelegt und haben sich vier Stunden abgesetzt, um einen Striptease-Club zu besuchen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Die Tat hat Seltenheitswert. Dieser Fall ist einmalig für mich“, sagt deshalb der Leiter der Justizvollzugsanstalt Heimsheim (Enzkreis). Hubert Fluhr ist Chef der an der A 81 gelegenen Haftanstalt, zu deren Außeneinrichtungen auch das Freigängerheim in Ludwigsburg gehört. Und so was ist ihm noch nicht untergekommen. „Sonst müssten wir ja schon längst unser Konzept überdacht haben“, sagt er.

 

Für vier Stunden aus dem Freigängerheim verschwunden

Denn in besagtem Freigängerheim sind in der Nacht zum ersten Juli gegen 23.15 Uhr drei Bewohner übereingekommen, so sagt es die Anklageschrift lapidar, das Gebäude zu verlassen. Um 3.15 Uhr waren sie nach einem Ausflug in einen Stuttgarter Striptease-Nachtclub zwar wieder durch das selbe Küchenfenster eingestiegen, durch das sie sich zuvor verabschiedet hatten. Sie sollen die Schrauben gelockert und das Gitter danach ausgehebelt haben. Aber ihre Rückkehr wird sie wohl nicht vor Strafe schützen. Auf den in Paragraf 121 des Strafgesetzbuch altmodisch klingenden Begriff der Gefangenmeuterei lautet die Anklage. Zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft droht den drei Ausbrechern. Zudem wurde ihnen nach der Tat sofort das Recht auf den offenen Strafvollzug entzogen, berichtet Fluhr. Die drei wurden in die für sie zuständigen Haftanstalten zurückverlegt. Zudem wurde ihnen die Erlassung von einem Drittel der Reststrafen auf Bewährung verwehrt. Inzwischen sind alle drei jedoch wieder auf freiem Fuß.

Eine Anklage wegen Gefangenenmeuterei ist äußerst selten

Entscheidendend für die Anklage der Gefangenenmeuterei sei, so der Direktor des zuständigen Amtsgericht Ludwigsburg, Christoph Hölscher, dass sie den Ausbruch gemeinsam geplant hätten. Der Ausbruchsversuch eines einzelnen Gefangenen sei nicht strafbar. Auch für Hölscher ist ein Fall der Gefangenmeuterei alles andere als Routine. Er kann sich in seiner Laufbahn nur an einen solchen Fall erinnern. Aber das sei in Stammheim zu Zeiten der RAF gewesen.

Leben im Freigängerheim: die letzte Stufe vor der Freilassung

In Ludwigsburg liegt der Fall wohl gänzlich anders. Das an der Kreuzung Stuttgarter Straße-Alleenstraße gelegene Freigängerheim ist eine niederschwellige Einrichtung des Strafvollzugs. Es stellt die letzte Stufe vor der Freiheit dar. Bis zu 80 Bewohner können hier unterkommen. Im Moment beherberge es etwa 50 Bewohner, sagt Hubert Fluhr. Verurteilte Sexualstraftäter seien nicht unter ihnen. Das Haus, das eingerichtet wurde, als es in Ludwigsburg noch eine Justizvollzugsanstalt gab, habe den Charakter eines Wohnheims mit Sozialarbeitern. Es gibt Gitter vor den Fenstern, aber die Bewohner gehen selbstständig ein und aus.

Wer hier wohnt, befindet sich in der letzten Phase seiner Strafverbüßung, arbeitet auf Lohnsteuerkarte, fährt morgens zur Arbeit und kommt abends wieder zurück. Da sich die Männer selbst versorgen, wird ihnen etwas Extrazeit für den Einkauf gewährt. Gegen 22 Uhr sollte Ruhe einkehren. „Wie in einem normalen Wohnheim“, so Fluhr. Die zentrale Lage in der Stadt sei wegen der Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln ideal, um in ein normales Leben zurückzufinden. Den Besuch von Abendveranstaltungen sieht die Heimordnung jedoch nicht vor.