Fast acht Wochen ohne: In Ludwigsburg findet erstmals nach dem Shutdown wieder richtige Kommunalpolitik statt. Aber was heißt schon richtig? Die Stadträte sind ungewohnt freundlich und einmütig. Das dürfte auch viele Eltern erleichtern.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Wer es nicht besser weiß, den kann angesichts des Treibens im Ludwigsburger Kulturzentrum ein sehr mulmiges Gefühl beschleichen: Fast alle Zugänge sind abgesperrt, Ordnungshüter laufen Patrouille, der Feuerwehrkommandant ist zugegen und jede Menge Maskierte. Aber natürlich, die Truppe, die sich am Mittwochnachmittag im Kulturzentrum zusammengefunden hat, ist keine Lubu-Gang, jedenfalls keine, die Böses im Schilde führt. Es sind die Mitglieder des Ausschusses für Bildung, Sport und Soziales, der zum Ersten Mal seit dem coronabedingten Shutdown wieder zusammenkommt, zum ersten Mal seit fast acht Wochen. Und so gespenstisch dieses Wiedersehen auch anmutet, so ungewohnt herzlich ist es auch.

 

Lob ohne Ende

Das liegt in erster Linie in den Stadträten, die den Ersten Bürgermeister Konrad Seigfried und seine Mitarbeiter über – man kann es nicht anders sagen – den grünen Klee loben: „Was die Verwaltung geleistet hat, ist großartige Arbeit, ein Wahnsinn“, sagt etwa die grüne, stets kritische Elfriede Steinwand. Claus-Dieter Meyer dankt im Namen der CDU „der gut funktionierenden Verwaltung herzlich“. Und Gabriele Moersch von den Freien Wählern spricht von „allerhöchster Anerkennung für beeindruckende Arbeit“.

Derart überbordend positive Rückmeldung ist im Ludwigsburger Rathaus niemand gewohnt. Viel öfter klagen die Kommunalpolitiker – wahlweise – „zu spät, zu teuer, zu schlecht“. Und nun sind sie ja nicht einmal gefragt worden, bevor die Verwaltung Spielplätze und Kitas geschlossen, große Feste und Events abgesagt und das Rathaus quasi verbarrikadiert hat. Lediglich telefonisch informiert wurden sie. Aber, was soll man sagen: Sogar das war offenbar ausgezeichnet! „Die Räte haben immer gut Bescheid gewusst“, lobt Hubertus von Stackelberg von der SPD. Auch Nadja Schmidt von der Linken fühlte sich stets „sehr gut informiert“. Und dem Liberalen Johann Heer ist der „gute Umgangston in den konstruktiven Diskussionen“ in bester Erinnerung.

Eine neue rechte Hand für den OB

Dermaßen wohlgesonnen nehmen die Räte, die im Kulturzentrum viel Abstand zueinander haben, auch eine kleine, aber feine Personalie zur Kenntnis. Konrad Seigfried hat eine neue Persönliche Referentin: Susanne Karstedt, die bisher die rechte Hand des OB Matthias Knecht war. Die Stelle ist vakant geworden, weil die bisherige Referentin an den Bodensee wechselte. Die neue rechte Hand des Oberbürgermeisters ist nun Hannes Eisele, ein junger Mann, den Knecht kurz nach seiner Wahl ins Rathaus geholt hatte.

Sollte sich der ein oder andere Stadtrat Gedanken machen, ob die Verwaltung womöglich auf den Geschmack gekommen ist und auch fortan und bevorzugt per Telefonschalte durchregiert statt stundenlang live zu diskutieren – diese Sorgen scheinen unbegründet. Konrad Seigfried lässt zwar durchblicken, dass ihm die von den Sitzungen befreiten Abende durchaus behagt haben. Aber wahrscheinlich waren sie auch nötig, denn die Arbeit tagsüber war fordernd.

Stadt erlässt vorerst Elternbeiträge

33 Mal hat der Stab Außergewöhnliche Ereignisse (SAE) seit dem Beginn der Coronakrise im März getagt, manchmal mehrfach täglich. Der Stab, kann man sagen, sucht die Waffen, mit denen das Coronavirus auf lokaler Ebene bekämpft werden kann. Eigentlich war er vor nicht allzu langer Zeit für den Fall gegründet worden, dass in Ludwigsburg mal eine Bombe entschärft werden müsste. Oder falls ein mehrtägiges Unwetter die Stadt bedroht. Dass sich der SAE nun zur Zufriedenheit aller bewährt hat, fügt sich fast so harmonisch in das kommunale Krisengemälde, wie der Umstand, dass der Feuerwehrkommandant seine nötige Qualifikation für den höheren Dienst rechtzeitig erlangt hat. Just im März war Ben Bockemühl als oberster operativer Bevölkerungsschützer einsatzbereit.

Dass sie auf die Stadträte tatsächlich nicht verzichten will, beweist die Verwaltung schon gleich in dieser ersten Post-Quarantäne-Sitzung. Und obwohl es um viel Geld geht, herrscht auch hier große Einmütigkeit. „Selbstverständlich“ beschließt der Ausschuss, im April und im Mai keine Elternbeiträge in den Kitas zu kassieren, und auch für die bisherige Notbetreuung keine Gebühr zu verlangen. Sogar den freien und privat-gewerblichen Trägern will die Stadt Geld überweisen, damit die Eltern dort ebenfalls mit einer Erstattung rechnen können. Mehr als eine Million Euro kostet das die Stadt Stand heute, mit 714 000 Euro ist sie bisher vom Land entschädigt worden.

Der Bürgermeister wünscht sich Kaltblüter

An diesem Freitag kommt der Ausschuss für Wirtschaft, Kultur und Verwaltung wieder zusammen. Auch er tagt im Kulturzentrum. Und am 20. Mai tagt dann auch der Gemeinderat wieder, im Bürgersaal des Forums mit „Parlamentsbestuhlung“ – wenn nichts dazwischenkommt.

„Die Pandemie ist nicht vorbei“, mahnt Konrad Seigfried mehrfach – und appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Ludwigsburger. Er sehe wohl, wie alle ungeduldig mit den Hufen scharren und wieder raus auf die Koppel wollten, sagt der Bürgermeister. „Aber Kaltblüter wären mir momentan etwas lieber.“