Ein Gutachter hält eine Abkoppelung des Durchgangsverkehrs in der Ludwigsburger Innenstadt für machbar. Der Stadtrat zögert.

Ludwigsburg - Erst Anfang Februar hat der Ludwigsburger Gemeinderat in einem Workshop über die Umgestaltung des Arsenal- und des Schillerplatzes diskutiert. Als das Thema jetzt in der regulären Sitzung des Gremiums erneut aufgerufen wurde, empfahl der Baubürgermeister Michael Ilk daher, sich entspannt zurückzulehnen. Der Verkehrsgutachter Christoph Hupfer, der auch beim Workshop dabei gewesen war, werde noch einmal den Stand der Dinge referieren. Dass aus der Entspannungsphase dann doch nichts wurde, lag vor allem am Ärger der CDU, die in der Erklärung des Gutachters ihre Positionen nicht wiederfinden konnte. Die Darstellung sei „einseitig und tendenziös“, schimpfte der Stadtrat Claus-Dieter Meyer.

 

Gutachter will Ballast abwerfen

Die Aufgabenstellung für den Gutachter lautete: kann der Verkehr im Bereich der Arsenalstraße ausgesperrt werden, und was hätte das für praktische Folgen? Wo sollen die Autos parken, wenn der Arsenalplatz grün wird? Reichen die Kapazitäten der Cityparkhäuser aus, oder müssen eine oder mehrere Tiefgaragen gebaut werden? Unter dem Schiller- oder dem Arsenalplatz oder gar unter beiden?

Hupfer bemühte sich, die Ansätze in vier Varianten zu gliedern. „Tatsächlich gibt es 50 bis 80 Varianten, aber ich denke, wir können viele ausklammern“, sagte der Diplom-Ingenieur. Etwa, indem man die Frage nach dem Parken und der Tiefgarage zurückstelle. „Im Vorfeld der Planung ist das unnötiger Ballast.“ Egal, ob man sich entscheide, die beiden Innenstadtplätze mit einer Durchfahrt oder autofrei zu planen, man verbaue sich damit nichts.

Der Gutachter habe vielleicht die richtigen Zahlen zugrunde gelegt, aber daraus die falschen Schlüsse gezogen, kritisierte der CDU-Rat Meyer. So gebe es zwar viele Stimmen für eine Verkehrsberuhigung in diesem Bereich, daraus aber auf eine Mehrheit zu schließen, sei unzulässig. Außerdem gehe Hupfer – und mit ihm die Stadtverwaltung – davon aus, dass die entfallenden Parkplätze am Arsenalplatz nicht ersetzt werden sollten. „Die CDU will, das sie ersetzt werden“, betonte Meyer. „Wir denken auch, dass eine Verkehrsanalyse allein nicht ausreicht, es muss auch untersucht werden, welche Auswirkungen das auf den Handel und die Dienstleister dort hat.“

Während auch die Sprecher der FDP und der Freien Wähler betonten, dass ihnen sehr an einer Tiefgarage gelegen sei, halten die SPD- und die Grünen-Räte sie für verzichtbar. „Man kann ja erst einmal abwarten, wie es sich entwickelt; bei Bedarf kann man dann immer noch eine Garage bauen“, meinte Claudia Dziubas (Linke).

„Eigentlich dachte ich, wir seien beim Workshop neulich weitergekommen“, sagte der SPD-Stadtrat Dieter Juranek. „Aber nach der Kritik der CDU bin ich mir da nicht mehr so sicher.“ Er habe den Eindruck gehabt, dass es eine Mehrheit für eine autofreie Zone gebe. Er sei überzeugt, dass sich der Verkehr problemlos umleiten ließe, sagte Juranek. Eine Tiefgarage unter dem Schiller- oder Arsenalplatz sehe er kritisch. Wegen der Kosten, aber auch weil darüber kaum Bäume gedeihen könnten.

„Das Herz von Ludwigsburg“

Viel Lob spendete Markus Gericke (Grüne): Hupfer habe gezeigt, dass an dieser Stelle „eine kleine Bärenwiese“ möglich wäre. Er könne sich das Areal gut mit Liegewiese und Boulebahn vorstellen. Wichtig sei es vor allem, die Aufenthaltsqualität zu steigern, sagte Gericke: „Die Variante ohne Autodurchfahrt hat absolute Präferenz. Der Schillerplatz ist schließlich das Herz von Ludwigsburg.“ Am Ende wurde das Thema an die Fachausschüsse zurückverwiesen – mit der Maßgabe, alle Debatten rund ums Parken zurückzustellen.

Bürgerbeteiligung statt mutloser Räte

Kommentar - Auch wenn das Projekt „Zentrale Innenstadt-Entwicklung Ludwigsburg“ auf das Kürzel „ZIEL“ eingedampft wurde, ist die Stadt einem Ziel bisher kein Stück näher gekommen. Schlimmer noch: auch nach jahrelanger Debatte über die Umgestaltung des Arsenal- und des Schillerplatzes gibt es nicht einmal eine elementare Verständigung auf ein Ziel, das angepeilt werden könnte. Alle reden von der grünen Oase – aber wie Blinde von der Farbe. Wie grün kann ein Platz sein, auf dem Tausende von Autos Vorfahrt haben?

Es gab jede Menge Beiratssitzungen, Klausurtagungen, Grundsatzbeschlüsse, Händlerbefragungen und Bürgerinformationen zu dem Projekt. Was es aber nach wie vor nicht gibt, ist ein Konsens darüber, ob der Verkehr nun ausgesperrt werden soll oder nicht. So lange nicht einmal das geklärt ist, kann auch der beste Gutachter nur scheitern. Mit diesem Vorgehen wird die Geduld der Bürger – und vieler Anrainer, die lang schon auf eine Gestaltung warten – arg strapaziert.

Was als basisdemokratischer Prozess angepriesen wird, spiegelt in Wahrheit die Angst der Stadträte vor den Autofahrern wider. Statt zu entscheiden, eröffnen sie ständig neue Nebenkriegsschauplätze. Wenn die Räte weiterhin so mutlos agieren, sollten die Bürger entscheiden dürfen – der Platz im Herzen der Stadt wäre das ideale Thema für eine echte Bürgerbefragung.