Der Kampf der Eltern hat sich gelohnt: Sie haben erreicht, dass ihre Kinder am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Ludwigsburg Förderunterricht in Mathematik erhalten – dank einer Intervention des SPD-Landtagsabgeordneten Claus Schmiedel.

Ludwigsburg - Im Grunde geht es nur um Nachhilfeunterricht in Mathematik, aber am Ludwigsburger Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) ist daraus ein Politikum geworden. Ein engagierter Lehrer war vorgeprescht, weil er bei den Schülern der 8c arge Defizite ausgemacht hatte. Er schlug den Eltern vor, die Scharten in einer zusätzlichen Förderstunde auszuwetzen. Doch dann musste er erfahren, dass das nicht so einfach ist, wie es sich anhört. Beim ersten Anlauf wurde seine Initiative vom Regierungspräsidium strikt abgelehnt – inzwischen gibt es einen Kompromiss: Die 8. Klasse bekommt die Nachhilfestunde, erteilt aber wird sie von einem Kollegen des Lehrers, der die Sache losgetreten hat.

 

Bugwelle darf nicht mehr anwachsen

Verständlich wird das ganze Prozedere indes nur, wenn man es vor dem Hintergrund des Regierungswechsels und der Debatte über die sogenannten Bugwellenstunden betrachtet – und wenn man weiß, dass sich der Ludwigsburger Landtagsabgeordnete und SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel eingemischt hat. Ihm hatte Thomas Ripke, der Sprecher der Eltern der 8c, eingeschaltet. In der Hoffnung, dass auch für Grün-Rot in Baden-Württemberg gelte, was sich Rot-Grün in Niedersachsen auf die Fahnen geschrieben hat: „Wir werden Sitzenbleiben durch individuelle Förderung überflüssig machen.“

Anfänglich sah es nicht danach aus: Schuldirektor Klaus Arnold verwies die Eltern an das Regierungspräsidium. Er selbst dürfe solche Zusatzstunden seit diesem Schuljahr nicht mehr genehmigen. Und die Absage aus Stuttgart kam prompt: mit Verweis auf die Bugwellenstunden. Zusätzliche Leistungen dürften von Lehrern nur noch für den Pflichtunterricht abgefragt werden. Denn die Überstunden von Lehrern laufen als Bugwelle auf; sie müssen ausgeglichen werden. Das heißt, der betreffende Lehrer muss im Folgejahr eine Stunde weniger unterrichten. Ein Sprecher des RP verwies zudem auf das Prinzip der Chancengleichheit. Was die 8c bekomme, könnten auch andere beanspruchen. Für Nachhilfe sei nicht die Schule zuständig.

Nach Ansicht von Schmiedel ist die Bugwelle ein missliches Erbe der Vorgängerregierung: Die habe so viele Überstunden auflaufen lassen, dass nun Ansprüche im Umfang von fast tausend vollen Lehrerstellen abgebaut werden müssten. Darum habe es auch den Erlass vom Kulturministerium gegeben, auf den sich der FSG-Leiter Arnold berufen habe. Dass jetzt dennoch der Wunsch der Eltern der Ludwigsburger 8c erfüllt werden konnte, haben sie einem Telefonat von Schmiedel zu verdanken.

Die zweitbeste Lösung

Dieser hat nach eigener Aussage den RP-Abteilungsleiter Schule und Bildung gebeten, nach einer Lösung zu suchen. Und Heinz Eberspächer stellte bei einem Blick in den FSG-Stundenplan fest, dass das Deputat eines anderen Mathelehrers nicht voll ausgeschöpft ist. Dieser Kollege wurde beauftragt, bis zum Schuljahresende den Förderunterricht zu erteilen.

„Das ist für uns zwar nicht ganz optimal, aber es ist eine Lösung“, sagt der Schulleiter Arnold. Ideal wäre es aus pädagogischer Sicht gewesen, wenn der Lehrer, der die Klasse regulär in Mathe unterrichtet, auch die Nachhilfestunde geben könnte. Die einzige Alternative aber wäre gewesen, im Gegenzug die Theater-AG für den Rest des Schuljahres zu streichen, denn auch die leitet der Mathelehrer. Für diesen Fall aber war mit viel Ärger zu rechnen.

Für den SPD-Abgeordneten Schmiedel zeigt das Hin und Her um die Mathestunde, dass am RP auch zwei Jahre nach dem Regierungswechsel „die alte Denke“ vorherrscht. „Wir wollen Zug um Zug die individuelle Förderung ausbauen – nicht nur  in der Gemeinschaftsschule.“ Wenn Schwachpunkte entdeckt würden, müsse gegengesteuert werden. Sitzenbleiben müsse der Vergangenheit angehören, sagt Schmiedel. Auch der Verweis auf Nachhilfe außerhalb der Schule sei fehl am Platz: „Die einzige Grenze sind die Deputate. Wir wollen keine neue Bugwelle aufbauen.“

Kommentar: Gleiche Chancen für alle!

Nachhilfe - Die Eltern der 8c am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Ludwigsburg können sich freuen. Dank ihrer Hartnäckigkeit haben sie durchgeboxt, dass ihre Kinder in Mathe gefördert werden. Und das nicht außerhalb, sondern in der Schule; durch einen qualifizierten Lehrer. Doch die Vereinbarung hat einen Schönheitsfehler: Sie ist ungerecht. Auch wenn niemand gegen ein Gesetz verstoßen hat, Chancengleichheit sieht anders aus – egal ob in Stuttgart Schwarz-Gelb oder Grün-Rot regiert.

Ein Spitzenpolitiker hat seinen ganzen Einfluss geltend gemacht, und fest steht, dass es ohne diese Machtdemonstration die Nachhilfestunde nicht gäbe. Die Beteiligten beteuern zwar, auf die schließlich gefundene Lösung hätten Schulleitung und Regierungspräsidium auch allein kommen können. Doch, warum auch immer, sie haben es nun mal nicht aus eigenen Kräften getan. Wer einwendet, es handle sich ja nur um eine läppische Förderstunde, verkennt die Situation an den baden-württembergischen Gymnasien.

Auch unter Grün-Rot herrscht akuter Lehrermangel, und die von Claus Schmiedel bezeugte Bugwelle hat an vielen Schulen längst fatale Folgen. Nicht selten fällt der reguläre Unterricht in einem Hauptfach über Wochen hinweg aus – an zusätzliche Förderstunden ist gar nicht zu denken. Ein Politiker, der es mit der schönen Formel von der individuellen Förderung ernst meint, spielt nicht mal eben für eine Klasse seine Macht aus. Er macht sich stattdessen stark für ein Bildungssystem, in dem endlich alle Schüler in den Genuss der Förderung kommen, mit der die Landesregierung seit zwei Jahren hausieren geht.