Die Stadt Ludwgisburg hat Hochbau-Projekte nach ihrer Dringlichkeit sortiert. Der Gemeinderat hat die Liste zerpflückt.

Ludwigsburg - Steuererhöhungen gebe es mit ihnen nicht – weder offen noch versteckt. Das stellten die Sprecher von CDU, SPD und Freien Wähler in einer gemeinsamen Sitzung von Bauausschuss und Sozialausschuss klar. Auf der Tagesordnung stand zwar nur die Priorisierung von Investitionen im Hochbau, aber die eigentliche Frage dahinter war wie stets die nach der Bezahlbarkeit. Und auch wenn nur dringliche Bauvorhaben auf der Liste stehen und Ludwigsburg im Vergleich zu ähnlich großen Städten im Land finanziell auf Rosen gebettet ist – das Geld reicht nicht.

 

Plus und Minus

Oder wie der Erste Bürgermeister Konrad Seigfried sagte: allerhöchstens bis Punkt 5 der auf 18 Projekte eingedampften Vorschlagsliste. Das heißt wiederum: alles was danach kommt, kann frühestens Mitte der Zwanzigerjahre realisiert werden. Chancen auf eine Realisierung oder Planfeststellung bis 2020 hätten damit nur die August-Lämmle-Grundschule, das Kinder- und Familienzentrum Neckarweihingen (sie teilen sich Platz eins), die Kita in der Stammheimer Straße, die Friedrich-von-Keller-Schule in Neckarweihingen, die Mehrzweckhalle Oßweil und das Bildungszentrum West.

Die jeweilige Position der Projekte wurde mittels einer Plus- und Minus-Kalkulation ermittelt. „Jede Baumaßnahme wurde jeder anderen gegenübergestellt“, sagte Seigfried. Kriterien waren etwa der Gesamtzustand eine bestehenden Gebäudes, die Notwendigkeit einer Aufrüstung in Sachen Brandschutz. Darum ist zum Beispiel die August-Lämmle-Schule, die kaum jemand auf dem Schirm hatte, auf Platz eins gehüpft. „Wenn wir hier nichts in den Brandschutz investieren, bekommen wir die nicht mehr genehmigt“, erläuterte Mathias Weißer vom Hochbauamt.

Stadtrat Wilfried Link (CDU) überzeugte das überhaupt nicht. Der Zimmermeister meinte, es gebe noch viele andere Schulen in der Stadt in ähnlichem Zustand. Die Holzdecken in der Lämmle-Schule seien nicht bedenklicher als andere. Die SPD und die Freien Wähler pochten darauf, dass der Gemeinderat schon vor anderthalb Jahren festgelegt habe, dass die Sanierung die Sporthalle in der Oststadt dringlicher ist als die der Mehrzeckhalle in Oßweil. Und nun ist die Mehrzweckhalle auf Platz 4 der Prioritätenliste gelandet, während Oßweil abgeschlagen auf Platz 13 steht. „Wir möchten, dass das getauscht wird“, sagt Margit Liepins (SPD), die sich auch darüber wunderte, dass der Bau einer Sporthalle für Hoheneck auf Platz 6 steht. „Die Hohenecker Halle hat überhaupt nichts auf der Prioritätenliste verloren“, meinte Andreas Rothacker (FW). „Die ist ja schon beschlossen.“

Entscheidung am 20. Mai?

Reinhardt Weiss (FW) und Reinhold Noz (CDU) fürchten, der Gemeinderat sei nicht mehr Herr des Verfahrens. „Wir müssen uns da auf eine Blindflug einlassen, weil wir nicht wissen, was die einzelnen Projekte kosten“, sagte Noz. Er möchte keine Zahlen nennen, „um nicht später dafür gekreuzigt zu werden“, wenn die Kosten explodieren, sagte Baubürgermeister Michael Ilk.

„Mir wird schwindlig, das sind ja keine Peanuts“, sagte Weiß. Er fühle sich außerstande, diese Liste zu beschließen. Die Verwaltung drehe sich die Entscheidungen zurecht, meinte Liepins: „Wenn der Gemeinderat nicht mitmacht, kommt so eine Vorlage.“ Johann Heer (FDP) möchte, dass die Liste unter Vorbehalt gestellt wird. Den Grünen ist wichtig, dass nach dem Prinzip Sanierung vor Neubau gehandelt wird.

Eine Entscheidung soll in der nächsten Sitzung des Gemeinderat (20. Mai) fallen.

Angst vor der Zukunft

Kommentar - Die Ludwigsburger Stadtverwaltung hat versucht, aus der Wunschliste der Hochbaumaßnahmen eine Dringlichkeitsliste zu machen, um sie so in ein Ranking zu zwingen. Das war so gewünscht und es wäre auch vernünftig. Doch als diese Prioritätenliste jetzt in zwei Ausschüssen des Gemeinderats diskutiert wurde, zeigte sich: mit diesem Papier wird niemand glücklich. Die Verwaltung nicht, weil sie partout keine Kostenschätzungen für einzelne Projekte preisgeben möchte – „um später nicht dafür gekreuzigt zu werden“ – und die Stadträte nicht, weil sie die Reihenfolge nicht akzeptieren wollen. Siehe: Mehrzweckhalle Oßweil contra Sporthalle Oststadt. Weil sie einzelne Bewertungen nicht nachvollziehen können, fühlen sich mache Räte gar zum Blindflug verurteilt.

Dabei ließe sich die eine oder andere Unklarheit sicher leicht aus der Welt schaffen – zum Beispiel mit ein paar Zahlen. Schwieriger wird es allerdings mit dem allgegenwärtigen Misstrauen. Die Fraktionen belauern sich untereinander und allen gemeinsam ist die Angst, die Verwaltung könne sie über den Tisch ziehen. So lange diese Bedenken nicht ausgeräumt ist, ist eine Prioritätenliste für die Katz. Was nützt es, wenn sich niemand daran gebunden fühlt? Zum Beispiel, wenn ihm wieder einmal der eigene Stadtteil näher ist als die Gesamtstadt. Die Räte schrecken vor einem Ausblick in eine Zukunft zurück, die über die Mitte der Zwanzigerjahre hinausreicht. Sie sind auf schnelle Beschlüsse aus. Nach dem Motto: Am liebsten alles – und zwar sofort! Verantwortungsvolle Politik geht anders.