299 Jahre Wochenmarkt sind am Samstag gefeiert worden – aus Versehen. Die Aktionen auf dem Ludwigsburger Marktplatz sind dennoch gut angekommen.

Ludwigsburg - Im hohen Alter kommt es auf ein Jahr hin oder her nicht an, könnte man meinen. Der Stadt dürfte ihr Zahlenfehler dennoch etwas unangenehm sein. Denn erst eine Woche vor dem vermeintlichen Jubiläum des Wochenmarktes kam heraus, dass dieser nicht, wie vermutet, seit 300 Jahren besteht, sondern erst seit 299. Die Stadt versuchte, das Beste daraus zu machen – und feierte am Samstag trotzdem: mit historischen Marktständen, Waren von anno dazumal und kostümierten Leuten.

 

Heraus kam das Versehen nur, weil die Stadt während der Jubiläumsveranstaltung die Originalurkunde des herzöglichen Erlasses zur Einrichtung eines Wochenmarktes in Ludwigsburg ausstellen wollte. Und auf dem Dokument, das das Hauptstaatsarchiv Stuttgart zur Verfügung stellte, war der 9. August 1715 genannt. „Nach eingehender Prüfung scheint es keinen Zweifel zu geben, dass erst das Jahr 1715 den Ursprung des Ludwigsburger Wochenmarktes markiert und nicht 1714, wie angenommen“, teilte die Stadt daraufhin mit.

Historisches Brot zum Jubiläum

Den Aktionen auf dem Markt hat das am Samstag keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: manche haben aus der Not sogar eine Tugend gemacht. So erlaubte sich Felix Remmele von der Bäckerei Luckscheiter auf seinem historischen Brot einen kleinen Witz: Auf dem aufgebackenen Hinweis auf den Broten hatte er das 300-Jahr-Juliläum markiert – dann aber durchgestrichen und mit einer „299“ überschrieben.

Auch sonst hat sich Remmele einiges einfallen lassen. Er wollte zum Jubiläum des Wochenmarktes ein Brot backen, das auch vor fast 300 Jahren dort hätte verkauft werden können. Industriell gefertigte Backhefe war damit tabu. Also experimentierte der 25-jährige Bäckermeister wochenlang herum und machte sogar einen Abstecher in die USA. Kurz vor knapp gelang es ihm, einen eigenen Weizensauerteig anzusetzen, der funktionierte. Seine historischen Brote, die wegen der ungewöhnlich langen Teigruhe erst kurz nach Beginn des Wochenmarktes fertig wurden, fanden reißenden Absatz: Schon gegen 11 Uhr hatte er fast alle Laibe verkauft.

Marktstände wie anno dazumal

Auch die Aktion des Bürgervereins der Unteren Stadt kam gut an: An einem historischen Marktstand wurden in großen Flechtkörben frische Kräuter zum Kochen und Heilen feilgeboten, auch alte Gemüsesorten wie Pastinaken, Rote Rüben und Kartoffeln gab es hier zu kaufen. Die Mitglieder des Vereins verkauften nicht nur die Waren für einen guten Zweck – der Erlös soll den „Ärzten ohne Grenzen“ gespendet werden – sondern flanierten in historischen Kostümen auch über den ganzen Marktplatz und hielten mal hier, mal dort ein Schwätzchen mit den Besuchern.

Derweil hingen zig Kinder in einem Rund aus Strohballen an den Lippen der Märchenerzählerin Xenia Busam, am Stand des Bönnigheimer Schnapsmuseums wurde Hochprozentiges aus vergangenen Zeiten ausgeschenkt, und die historische Musikgruppe Des Geyers Schwarzer Haufen sorgte für zünftige Klänge inmitten des vielfältigen Markttreibens.

Dass das die Marktsituation vor fast 300 Jahren widerspiegelte, wagt der Historiker Albert Sting allerdings zu bezweifeln. Denn damals habe es noch nicht einmal 600 Einwohner in Ludwigsburg gegeben. Wenn überhaupt, habe vielleicht der Hofstaat dort gekauft oder aber der eine oder andere Bauarbeiter. Auf dem Marktplatz aber habe das auf keinen Fall stattgefunden: der habe nämlich noch gar nicht existiert.