Der hässliche Wohnturm über dem runderneuerten Marstall-Einkaufszentrum in Ludwigsburg soll eine neue Fassade bekommen – das zumindest will die Stadt. Die Eigentümer sträuben sich, denn die Kosten wären enorm.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Unten hui, oben pfui – so lässt sich das Marstallcenter in Ludwigsburg beschreiben. Zumindest was die Außenfassade des riesigen Gebäudes angeht. Fast 100 Millionen Euro hat die Hamburger Projektentwicklungsgesellschaft ECE in die Wiederbelebung des Einkaufszentrums in der Unteren Stadt gepumpt, am kommenden Mittwoch öffnet das neue Marstall erstmals seine Tore für Kunden und Besucher. Auch das Umfeld des Kolosses wurde für viele Millionen Euro erneuert, das dazu benötigte Geld stammt überwiegend von der Stadt, die daher bereits am Dienstag zu einer kleinen Feier einlädt. Die jetzt abgeschlossene Marstallsanierung ist ein Meilenstein für Ludwigsburg.

 

Und vermutlich werden die Feiergäste und Kunden in der kommenden Woche dann auch kurz den Blick nach oben richten – und erkennen: hier fehlt noch etwas. Denn der Sockel des Gebäudes, in dem sich die Ladenpassagen befinden, hat zwar eine schicke neue Fassadenverkleidung erhalten. Der Wohnturm darüber aber ragt so hässlich empor wie eh und je. „Die ECE hat für das Marstall eine hochattraktive Lösung geschaffen, das Erscheinungsbild hat einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht“, sagt der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec. „Und jetzt sticht die in die Jahre gekommene Fassade darüber umso stärker ins Auge.“

Die Sanierung würde bis zu fünf Millionen Euro kosten

Die Stadtverwaltung will das ändern, aber die Lage scheint festgefahren. 201 Wohnungen umfasst der in den 1970er Jahren errichtete Turm, und deren Eigentümer gilt es zu überzeugen, das Großprojekt anzugehen. Bei mehreren Eigentümerversammlungen wurde darüber schon debattiert, ohne dass eine Entscheidung gefallen ist, aber die Stimmung im Haus ist eher ablehnend. „Die Mehrheit ist klar gegen diese Sanierung“, sagt ein Bewohner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Die Wohnungen im Marstall sind durchaus schön und gut in Schuss, der Blick nach außen sowieso überragend – dass der Betonklotz das Stadtbild beeinträchtigt, stört viele, die darin wohnen, gerade nicht. „Und dann diese Kosten“, sagt eine Eigentümerin. „Die sind viel zu hoch, das könnten sich viele hier gar nicht leisten.“

Laut einer ersten groben Schätzung würde die Fassadensanierung drei bis fünf Millionen Euro verschlingen, und wer das zahlen soll, ist strittig. Ungeachtet dessen hatte das Rathaus bereits 2013 einen Gestaltungswettbewerb ausgelobt. Der Sieger, ein Frankfurter Architekturbüro, schlägt vor, das Gebäude mit Aluminiumelementen zu verkleiden und die Höhe der Brüstungen anzugleichen, damit sich das Marstall harmonischer ins Stadtbild einfügt. Bald soll eine genauere Kostenprognose vorliegen, und auf dieser Grundlage will Spec möglichst noch in diesem Herbst in die sensiblen Gespräche mit den Eigentümern einsteigen. „Wir bleiben dran.“

Der OB lockt die Eigentümer mit finanziellen Anreizen

Mit Argumenten will der Oberbürgermeister die Bewohner zu einem Meinungswandel bewegen – und mit finanziellen Anreizen. „Grundsätzlich ist eine solche Sanierung allein Sache der Eigentümer“, sagt Spec. „Dennoch wäre es denkbar, dass wir dafür Zuschüsse aus dem Topf der Städtebauförderung gewähren, wenn ein überzeugendes Konzept vorliegt.“ Das heißt: wenn die Fassade nicht nur optisch, sondern auch energetisch auf Vordermann gebracht wird. Für die Eigentümer, so Spec, sei dies eine einmalige Chance. „Früher oder später werden sie die Fassade sowieso erneuern müssen. Jetzt besteht die Möglichkeit, eine Förderung zu bekommen, später wohl nicht mehr.“

Die Eigentümer allerdings sehen keinerlei Dringlichkeit. Die Fassade sei technisch völlig in Ordnung und auch energetisch nicht schlecht, heißt es. „Wenn die Stadt da unbedingt etwas machen will, soll sie es doch selbst zahlen.“ Und auch auf die ECE wird verwiesen. Schon vor einem Jahr hat ein Bewohner auf eine Textpassage in der Teilungserklärung für das Gebäude hingewiesen, die darauf hindeuten könnte, dass der Besitzer des Einkaufszentrums grundsätzlich auch für die Fassadensanierung des dazugehörigen Wohnturms zuständig ist.

Ob die ECE sich beteiligen muss, ist strittig

In Hamburg hält man sich diesbezüglich mit Aussagen zurück. „Dabei handelt es sich um Themen, die intern innerhalb der Eigentümergemeinschaft zu besprechen sind“, erklärt die ECE-Kommunikationsabteilung. Daher wolle man sich dazu generell nicht äußern. Spec aber hält jegliche Vorstöße der Bewohner in diese Richtung für nicht erfolgversprechend. „Das ist eine privatrechtliche Frage, da mische ich mich nicht ein“, sagt er. „Aber ich gehe nicht davon aus, dass die ECE, die gerade 100 Millionen Euro investiert hat, noch weiteres Geld in die Hand nehmen wird.“ Zumal die Wohnungseigentümer massiv vom Engagement der ECE profitiert hätten, weil der Wert der Wohnungen mit der Wiederbelebung des Einkaufszentrums steigen werde. „Ich hoffe darauf, dass die Eigentümer sich aufraffen und die Sanierung mit unserer Unterstützung anpacken“, sagt der OB. „Es wäre gut für sie und gut für die Stadt.“