Der Gemeinderat stellt sich hinter die Vorschläge des Ludwigsburger Rathauses für eine Wohnbaulandoffensive – trotz der massiven Kritik der privaten Bauträger. Eine städtische Tochtergesellschaft soll jetzt mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt schaffen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Spätestens nach der Ansprache des Oberbürgermeisters ist am Mittwochabend jedem im Saal klar: das ist kein Tagesordnungspunkt wie jeder andere. Die Rede von Werner Spec war eher ein Appell: „Wir brauchen kein Zittern, kein Warten und kein Schwanken, wir brauchen ein klares Signal.“ Mit solchen Worten könnte man in den Krieg ziehen, tatsächlich ging es im Ludwigsburger Gemeinderat nur um eine Wohnbaulandoffensive. Ein Thema allerdings, das zuletzt reichlich Aufregung produziert hat – vor allem unter einigen Immobilienunternehmern, die fürchten, die Stadt befinde sich auf direktem Weg in den Sozialismus.

 

Die Stadt will mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen

Am Mittwoch blieb es friedlich, was vor allem daran lag, dass sich die Stadträte offenbar weitgehend einig sind und die Bedenken der Unternehmer nicht teilen. So entschied die große Mehrheit, dass die Stadt sich Vorkaufsrechte für vier Baugebiete sichern soll: es geht um Flurstücke im Umfeld der Scholppenäcker, Wilhelm-Nagel-Straße, Reichertshalde und Hausgärten. Die anderen Punkte der Beschlussvorlage wurden auf Antrag der CDU vertagt, um vor der Abstimmung in der nächsten Gemeinderatssitzung letzte Details klären zu können. Aber auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Herrmann deutete an, dass seine Partei die grundsätzliche Linie der Stadt mittrage. SPD, FDP, die Grünen und die Linke signalisierten ebenfalls Zustimmung, und das bedeutet, dass der von den Bauträgern geforderte Kurswechsel vermutlich ausbleiben wird.

Im Kern geht es darum, dass in Ludwigsburg neue Baugebiete nur dann entwickelt werden sollen, wenn die Stadt zuvor in den Besitz aller dafür notwendigen Grundstücke gelangt ist. Das Rathaus will sich somit die Planungshoheit sichern, die Areale später aber weiter verkaufen. Im Umlegungsverfahren sollen nicht nur die ehemaligen Eigentümer und private Bauträger berücksichtigt werden, sondern in stärkerem Maß als bisher auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft (WBL). Deren Hautaufgabe soll sein, deutlich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, denn der wird zunehmend knapp.

Steigende Mieten, explodierende Immobilienpreise, fehlende Wohnungen für Alleinerziehende, ärmere Familien, Senioren – „wir haben gemerkt, dass der Markt allein nicht alles richten kann“, sagte Spec. Der OB wetterte gegen ein „überzogenes neoliberales Verständnis“ und warb für „klare ordnungspolitische Regeln“.

Die privaten Bauträger sehen die Baulandoffensive kritisch

Die Bauträger sehen vor allem die wachsende Bedeutung der WBL kritisch. Acht Firmenchefs hatten vor der Sitzung in einem Brief an die Fraktionen vor der eingeschlagenen Richtung gewarnt. Eine Forderung aus dem Schreiben griff das Rathaus auf. Am Mittwoch wurde explizit darauf hingewiesen, dass es auch künftig möglich ist, neues Bauland über vorhabenbezogene Bebauungspläne zu entwickeln. Was letztlich bedeutet, dass Grundstückseigentümer und Bauträger unter gewissen Umständen ohne die Stadt aktiv werden können, sofern diese einverstanden ist.

In den allermeisten Fällen aber soll im Gemeinderat festgelegt werden, wo zusätzliches Bauland entstehen wird und wo nicht. So will es die Verwaltung, und so will es auch das Gremiums selbst. Für die geplante Stärkung der WBL scheint es ebenfalls eine klare Mehrheit zu geben. Strittig wird lediglich die konkrete Anwendung der Beschlüsse sein. So hat die Stadt neben zahlreichen Baulücken insgesamt elf Flächen ins Auge gefasst, die bis 2020 als potenzielle Neubaugebiete infrage kommen. Zusätzlich zu den vier genannten, für die sich das Rathaus am Mittwoch das Vorkaufsrecht gesichert hat, handelt es sich um Grundstücke an der Ingersheimer Straße, Königsberger Straße, Flattichstraße, Waliser Straße, Lauffenstraße, Fuchshofstraße und Niedersachsenstraße. Stadträte mehrerer Fraktionen haben bereits klar gestellt, dass eine Bebauung all dieser Areale undenkbar sei, weil für den zusätzlichen Wohnraum nicht zu viele Freiflächen geopfert werden dürften.