Die Städte müssen sich einiges einfallen lassen, um genug Personal für ihre Kindergärten zu finden. Denn wegen des Betreuungsausbaus sind Erzieherinnen sehr gefragt.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Ludwigsburg - Kaum ein Samstag vergeht, ohne dass eine Kommune per Stellenanzeige nach pädagogischem Personal für Kindergärten sucht. Ludwigsburg, Waiblingen, Stuttgart sind Beispiele aus den vergangenen Wochen. Die Barockstadt leistete sich die größte Annonce: Auf fast einer Viertel Seite waren Erzieherinnen, Kinderpflegerinnen, Praktikantinnen und Auszubildende gefragt, die Fachkräfte ab sofort, die Lehrlinge ab September 2013. „Wir haben einen großen Wurf gemacht“, sagt Konrad Seigfried über die Anzeige. Auf die rund 50 Stellen meldeten sich 185 Bewerber. „Früher hatten wir eine Auswahl von zehn Bewerbern pro Stelle“, erklärt Ludwigsburgs Erster Bürgermeister: „Der Markt ist fast leer gefegt.“

 

Von August 2013 an gilt der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kleinkinder. Die Kommunen müssen ihr Betreuungsangebot ausbauen: Neue Kindergarten entstehen und viele Arbeitsplätze. Die meisten davon in der Region hat Heinrich Korn, der stellvertretende Jugendamtsleiter Stuttgarts, zu besetzen. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt könnte er 120 Erzieherinnen einstellen. Im Gemeinderat ist deshalb vergangene Woche diskutiert worden, wie die Arbeitsplätze attraktiver gemacht werden können. Fahrtkostenersatz und Hilfe bei der Wohnungssuche schlagen die Grünen vor. Außerdem sollen die meist weiblichen Kindergartenmitarbeiterinnen in eine höhere Tarifgruppe eingestuft werden.

Auch Ludwigsburg bietet seinen Erzieherinnen Extras

„Wir ziehen alle Register, um Personal zu gewinnen“, sagt Heinrich Korn. Der Gemeinderat hat sogar zusätzlich Geld für mehr Öffentlichkeitsarbeit auf Ausbildungsmessen und an Hochschulen genehmigt. Erziehungsurlauberinnen werden umgarnt, Quereinsteigerinnen erhalten finanzielle Zuwendung, um sich für den Beruf zu qualifizieren, und es gibt zusätzliche Ausbildungsplätze. „Wir werben nicht von anderen Kommunen ab“, betont der Jugendamtsleiter. Er ist überzeugt davon, dass Stuttgart durch den Ausbau Personal ans Umland verliert, etwa wegen der höheren Lebenshaltungskosten. Einen Großstadt-Nachlass findet er daher legitim.

Konrad Seigfried nennt den Wettbewerb um die Erzieherinnen „eine Kannibalisierung“. Es könne nicht sein, dass sich die Städte und Gemeinden gegenseitig Schnippchen schlagen, kritisiert Ludwigsburgs Erster Bürgermeister. Die Verwaltungen sollten sich an den Tarifvertrag halten – oder ihn gemeinsam verändern. Ludwigsburg bietet seinen Erzieherinnen dennoch einige Extras. Im Gegensatz zu Stuttgart werden Zweitkräfte mittlerweile wie Erstkräfte bezahlt und Stellvertreterinnen erhielten eine Gehaltserhöhung. Mehr Aufstiegsmöglichkeiten kamen dazu, Fortbildungsangebote und seit neuestem Gesundheitsförderung. Ein Zuschuss für Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs ist bei der Stadt Ludwigsburg für alle Mitarbeiter seit Längerem sowieso Standard.

Allein in Ludwigsburg kommen nächstes Jahr 60 Stellen hinzu

„Die Resonanz auf unsere Ausschreibung ist nicht groß“, berichtet auch Waiblingens Erster Bürgermeister Martin Staab. Dabei kann er nicht nur mit umfangreichen Fortbildungskonzepten und unbefristeten Verträgen werben, sondern auch mit einer übertariflichen Zulage. In Waiblingen gelinge es derzeit noch, alle Stellen zu besetzen, ergänzt Martin Staab: „Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass die Stadt viel für die Erzieherinnen tut.“ Im Bietigheim-Bissinger Rathaus wurde derweil erkannt, dass die Konkurrenz nicht schläft. „Intern wird über Anreize nachgedacht, wie man sich als Arbeitgeber attraktiv darstellt“, sagt die Stadtsprecherin Anette Hochmuth, ohne Konkretes verraten zu können. Momentan sind 13 Stellen offen.

In Tamm muss die Hauptamtsleiterin Viola Wiedmann nur für eine Stelle Ersatz finden, weil die Kandidatin andernorts eine Leitungsposition gefunden hat. Fortbildungen, höhere Einstufungen im Tarifvertrag, gut ausgestattete Kindergärten und ein gutes Betriebsklima sind ihre Lockmittel. „Jetzt ist es bei uns noch entspannt“, sagt Viola Wiedmann, „aber 2013 wird eine Herausforderung.“ Dann wird ein neuer Kindergarten eröffnet– während der Ausbau überall weitergeht. Allein in Ludwigsburg kommen im nächsten Jahr 60 neue Stellen für Erzieherinnen dazu. „Ich befürchte, wir kommen an einen Punkt, wo neu gebaute Einrichtungen einige Monate leer stehen, weil das Personal fehlt“, sagt Heinrich Korn vom Jugendamt Stuttgart.