Es ist ein Paukenschlag: Die Stadt Ludwigsburg kauft die leer stehende EnBW-Zentrale – und verhindert damit, dass das Land darin wie geplant eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge unterbringt. „Wir mussten das Heft des Handelns in die Hand nehmen“, sagt der Bürgermeister.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Es ist ein Paukenschlag: Die Stadt Ludwigsburg hat die ehemalige EnBW-Zentrale an der Hoferstraße gekauft – und verhindert damit, dass das Land darin wie geplant eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge unterbringen kann. Nach Angaben von Konrad Seigfried ist der Vertrag mit der EnBW bereits unterzeichnet. Zum Preis schweigt der Sozialbürgermeister, aber günstig ist der Coup sicher nicht. Immerhin handelt es sich um ein voll funktionsfähiges Gebäude mit einer Fläche von rund 8100 Quadratmetern – in guter Lage. Warum die Verwaltung dafür Geld locker macht, erklärt Seigfried ganz offen: „Wir wollen an dieser Stelle keine Erstaufnahmeeinrichtung haben.“

 

Genau die aber wollte das Land. Monatelang haben Integrationsministerium und Regierungspräsidium geprüft, ob das ehemalige EnBW-Regionalzentrum für die Erstunterbringung von Flüchtlingen taugt. Gespräche mit einem Investor, der das Gebäude übernehmen und weitervermarkten wollte, waren weit vorangeschritten. Rund 500 Flüchtlinge, hieß es, könnten dort Platz finden.

Als die Pläne des Landes publik wurden, hagelte es Kritik

Als dies publik wurde, hagelte es Kritik – nicht nur vonseiten einer Bürgerinitiative. Das Rathaus warnte Anfang Februar, das Vorhaben sei „sozial nicht verträglich“. Ludwigsburg setze auf eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen, weil dies die Integration erleichtere. Eine große Zahl von Asylbewerbern an einem Ort zu bündeln, laufe diesem Konzept völlig zuwider. Dazu kam: „Wir hatten ernst zu nehmende Informationen, dass der Investor sogar mit bis zu 1000 Flüchtlingen plant“, sagt Seigfried jetzt. Bis zuletzt habe man keine klare Aussage und keine Entwarnung aus Stuttgart bekommen. „Wir mussten damit rechnen, dass die Erstaufnahmeeinrichtung kommt. Auch deshalb haben wir das Heft des Handelns in die Hand genommen.“

Das Integrationsministerium hatte am Montag lediglich mitgeteilt, dass alle Gespräche über die Erschließung der Unterkunft in dem EnBW-Gebäude ruhen. Laut Seigfried hatte das Land, als dieses Statement verschickt wurde, schon längst keinen Zugriff mehr auf die Immobilie, weil sie sich bereits im Besitz der Stadt befand. Was genau die Kommune nun damit vorhat, ist unklar, aber es existiert eine erste Idee: die Nutzung als Flüchtlingsheim. Was paradox klingt, macht nach Ansicht des Rathauses Sinn. „Eine große Erstaufnahmeeinrichtung wäre ein unkalkulierbares soziales Risiko gewesen, aber ein Heim für 150 bis 200 Flüchtlinge ist dort gut vorstellbar“, sagt der Bürgermeister.

Der ganze Vorgang ist delikat – aus mehreren Gründen

Ludwigsburg muss im Lauf des Jahres voraussichtlich Platz für rund 400 zusätzliche Flüchtlinge schaffen, die aus Erstaufnahmeeinrichtungen in die sogenannte Anschlussunterbringung kommen. Zwar habe der Zustrom von außen abgenommen, so Seigfried, aber die Kommunen stünden weiterhin vor der enormen Herausforderung, ausreichend Kapazitäten zu schaffen. Dabei könne der Ankauf der EnBW-Zentrale helfen, aber: „Das wird auf keinen Fall ein reines Flüchtlingsheim.“ Vielmehr denke man an eine Mischnutzung. Denkbar sei, Flächen für Unternehmen oder städtische Einrichtungen zu reservieren. Ebenso möglich sei eine Art Integrationszentrum mit Beratungsangeboten für Flüchtlinge.

Mitreden wird bei der weiteren Planung der Gemeinderat, der auch den Kaufvertrag noch absegnen muss – weil am Ende alles schnell gehen musste, blieb keine Zeit, das Gremium einzubeziehen. Delikat ist der ganze Vorgang noch aus einem anderen Grund. Vor fünf Jahren hatte die Stadt die EnBW bei der Vergabe der Stromkonzession ausgebootet und die eigenen Stadtwerke massiv aufgewertet. Der Konzern zog sich danach verärgert aus Ludwigsburg zurück, nur deshalb steht das alte Regionalzentrum leer. Wegen eben dieses Gebäudes trafen sich die einstigen Gegner nun wieder. Die Gespräche hätten sich lange hingezogen, sagt Seigfried, aber man habe eine für beide Seiten gute Lösung gefunden. „In dem Fall waren wir Partner.“