Zwar werden die gründlich sanierten Teile der Orgel schon seit September wieder in der Ludwigsburger Stadtkirche eingebaut. Bis der Kantor aber darauf in den Gottesdiensten spielen kann, wird es wohl Ostern werden.

Ludwigsburg - Eberhard Friedrich Walcker würde sich vermutlich sehr darüber freuen: die rundum sanierte Orgel in der evangelischen Stadtkirche wird nicht nur auch künftig mit original Pfeifen aus seiner Werkstatt gespielt werden, sie wird auch wieder die romantische Tonfärbung annehmen, die ihr ursprünglich zugedacht war. Martin Kaleschke hätte das Instrument gern am Weihnachtsfest gespielt, stattdessen aber kam die Musik wie schon im vorigen Jahr nur von Flügel und Harmonium. Der Kantor musste sich und die Gemeinde auf Ostern vertrösten. Dann soll die große Orgel nach zweijähriger Zwangspause erstmals wieder voll ertönen.

 

Es gibt kein historisches Original

„Ich bedauere es sehr, dass ich die Weihnachtsgottesdienste nicht mit der Orgel begleiten konnte“, sagt Kaleschke. Aber es sei sicher besser für das Instrument, wenn man die Handwerker nicht unter Zeitdruck setze. „So können wir auf eine Orgel hoffen, an der alles in bester Laune gemacht wurde.“ Im Februar 2013 war das Instrument komplett zerlegt und in Einzelteilen nach Bonn in die Werkstatt der Firma Klais transportiert worden. Dort wurde alles gereinigt, Fehlendes ergänzt, nicht mehr verwertbare Pfeifen wurden neu gebaut. Was also demnächst in der von Herzog Eberhard Ludwig erbauten Kirche erklingen wird, ist eine Mischung aus alt und neu.

„Wir haben hier keine historische Orgel“, sagt Kaleschke. Eine Rekonstruktion sei unsinnig, weil das Instrument alle 20 bis 40 Jahre umgebaut worden sei. „Was also wäre da die ursprüngliche Orgel?“, fragt der Kantor. Dennoch werde das Instrument vom Umfang und der Perfektion her dem von 1889 sehr nahe kommen. Eine kleinere Orgel gab es bereits 1859, sie wurde überbaut. Restauriert werden musste die Orgel auch deshalb, weil bei der letzten Restaurierung in den sechziger Jahren minderwertige Materialien verarbeitet worden sind. „Wir bevorzugen Holz und Leder“, sagt der Kantor. Vor 50 Jahren aber seien einzelne Elemente auch aus Gummituch und Schaumstoffen gefertigt worden. Viel vom Gehäuse sei mit Pressspanplatten ersetzt worden. „Und das meist in einer sehr groben Ausführung“, sagt Kaleschke. „Hätte man aber nur das Beschädigte ausgetauscht, wäre das Flickwerk gewesen.“ Im Übrigen hätten sich die Ludwigsburger Protestanten dazu verpflichtet gefühlt, mit einem endlich wieder herausragenden Instrument an den einst weltberühmten Standort für Orgelbau zu erinnern.

Zum Glück habe sich die Gemeinde dazu durchgerungen, mit dem Gotteshaus auch die Orgel komplett zu sanieren: Die Stadtkirche wurde 2013 innen und außen restauriert. Und zum Glück habe die Idee auch sehr viele Unterstützer gefunden. Es gab einzelne Großspenden – etwa 70 000 Euro von der Wüstenrotstiftung – aber der größte Teil kam dank vieler kleiner und mittelgroßer Zuwendungen und dank der Patenschaften für einzelne Pfeifen zusammen. Außerdem gab es Benefizkonzerte und Sonderveranstaltungen. Augenblicklich fehlen noch rund 30 000 Euro.

Hundertausend Einzelteile

Insgesamt kostet die Sanierung 1,1 Millionen Euro. Die Pfarrgemeinde sammelt dafür schon seit zehn Jahren Geld. „Das heißt, pro Jahr sind etwa 100 000 Euro zusammengekommen“, freut sich der Kantor. Das sei besser, als wenn ein reicher Mäzen die Sanierungskosten allein getragen hätte, denn dann hätten die Gläubigen keine Beziehung dazu: „Unsere Orgel aber ist basisfinanziert, die ist den Leuten nicht egal.“

Im September sind zwei Sattelschlepper mit einer Last von jeweils 40 Tonnen am Marktplatz vorgefahren, um das Rieseninstrument in all seinen Einzelteilen wieder an Ort und Stelle zu bringen. Insgesamt besteht ein solche Orgel aus mehreren 100 000 Elementen. Seit dem 22. September wird alles zusammengesetzt.

Zuerst haben die Experten der Firma Klais das Gehäuse aufgebaut, dann das Tragwerk. Seither wird Ebene um Ebene eingesetzt, während gleichzeitig ein Restauratorenteam den Farbanstrich des Gehäuses besorgt. „Das war ursprünglich holzfarben, während die Kirche komplett farbig ausgemalt war“, sagt Kaleschke. Erst in der Epoche der Rebarockisierung Anfang des 20. Jahrhunderts waren Kirche und Orgel weiß gestrichen worden. Das restaurierte Instrument wird in einem blassen Grau- und Weiß lackiert sein. Passend zu dem gründlich gereinigten und ebenfalls wieder weiß gestrichenen Sakralbau.