Der Förderverein der Zentralstelle in Ludwigsburg zeigt am Sonntag einen Film über den Massenmord an den Armeniern – und bekam die Auflage, keine Werbung für die Veranstaltung zu machen. Aus Sorge vor extremistischen Gruppen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Normalerweise sind Veranstalter froh, wenn ihre Veranstaltungen angekündigt werden, weil dann mehr Gäste kommen. Umso erstaunlicher war der Inhalt einer E-Mail, die in dieser Woche im Postfach der Stuttgarter Zeitung eingelaufen ist. Darin informiert der Förderverein der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, dass dort am Sonntag ein Dokumentarfilm gezeigt wird: „Aghet“ heißt das Werk des renommierten Fernsehjournalisten Eric Friedler, das vom Genozid an Armeniern handelt, bei dem im Ersten Weltkrieg bis zu 1,5 Millionen Menschen im Osmanischen Reich, der heutigen Türkei, ums Leben kamen.

 

Der Verein darf keine Werbung für den Film machen

Versehen ist die Mail mit dem Hinweis, den Film aus allen Ankündigungen zu streichen – aus Furcht vor extremistischen Gruppen. Denn das Thema der Doku ist heikel. In der Türkei wird der Völkermord bis heute bestritten, doch in „Aghet“, was so viel wie Katastrophe heißt, werden die Ereignisse rekonstruiert. Auf Nachfrage erklärt Hans Pöschko vom Förderverein, man sei gewarnt worden, dass es bei Vorführungen häufiger zu Problemen gekommen sei.

„Aghet“ ist eine Produktion des NDR, doch die Warnung kam vom Katholischen Filmwerk in Frankfurt am Main. Dort hat der Förderverein den Film erworben, denn das Filmwerk ist im Besitz der Lizenz für nicht gewerbliche „Aghet“-Vorführungen, geht damit aber restriktiv um. So wurde dem Förderverein gar verboten, die Vorführung zu bewerben. Das Filmwerk will sich dazu nicht äußern, aber der NDR scheint keine Probleme darin zu sehen, den Film zu zeigen. Nach der Erstausstrahlung 2010 schrieb die türkische Gemeinde Deutschland zwar einen Protestbrief an die ARD, auch in der Türkei selbst wurde „Aghet“ kritisiert, doch im April dieses Jahres zeigte der Sender den Film erneut. Zudem lief „Aghet“ in den vergangenen Jahren weltweit in unzähligen Theatern, Kinos, Universitäten, sogar im US-Kongress.

„Aghet“ lief sogar schon im US-Kongress

In Konstanz kam es 2014 zu einer Demonstration von türkischen Aktivisten, die sich jedoch eher gegen ein Theaterstück über den Massenmord an den Armeniern richteten und weniger gegen „Aghet“. Zumal die Demo nach Angaben des Landeskriminalamts friedlich blieb. Dass es je gewalttätige Aktionen oder ähnliches wegen „Aghet“ gegeben habe, sei nicht bekannt.

Konfrontiert mit diesen Aussagen sieht nun auch der Förderverein keine Veranlassung mehr, den Film nicht zu bewerben. Er persönlich sei der Meinung, dass es ein großer Fehler wäre, „wenn wir in Deutschland anfangen, uns selbst zu zensieren“, sagt Pöschko. Immerhin sei das ein freies Land, in dem jeder seine Meinung sagen dürfe. „Ich habe ‚Aghet’ schon gesehen und fand den Film sehr gut.“