Bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Geschichte der Ludwigsburger Wasserspender eine von Not und Notwendigkeit. Erst die Nostalgiewelle der Achtziger hat sie wieder in die Stadt geschwemmt. Das zeigt eine neue Publikation des Stadtarchivs.

Ludwigsburg - Pro Jahr gibt Ludwigsburg 100 000 Euro für den Betrieb von Brunnen aus. Darüber wird regelmäßig gestritten, denn die Versorgung mit Trink- und Nutzwasser funktioniert auch ohne die 22 Sprudler oder Lauf-, Schöpf- und Ziehbrunnen ganz vorzüglich. Zuletzt haben sich die Befürworter vor zwei Jahren durchgesetzt, als sie erreichten, dass die Sparbeschlüsse von 2009 zurückgenommen wurden. Seither sprudelt das Wasser wieder in vollem Umfang – von Mitte April bis Mitte Oktober täglich von 8 bis 22 Uhr.

 

Aufschluss über soziales Gefüge

Das Hauptargument der Brunnenfreunde: man kann die Wasserspender in jeder Stadt abstellen oder abbauen, nicht aber in Ludwigsburg. Historisch bedingt seien sie wichtige Akzente im barocken Stadtbild. Dass diese Deutung zum Teil auf einer Selbsttäuschung beruht, zeigt ein jetzt vom Stadtarchiv herausgegebenes Buch mit dem Titel „Ludwigsburger Brunnen und die Anfänge des städtischen Wasserwerks“. Darin stellt Günther Bergan nicht nur fest, dass der Marktplatzbrunnen der einzig historische in der Innenstadt ist – drei weitere befinden sich auf dem Schlossgelände. Er macht auch deutlich, dass es selbst in den Glanzzeiten eine Frage des Wohlstands war: „Nur da, wo die armen Leute und die Arbeiter wohnten, hat die Stadt öffentliche Brunnen gebaut“, sagt der ehrenamtliche Archivar.

Der Brunnenlageplan spiegelt somit auch die soziale Struktur vom Barockzeitalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wider. Während sich die Bürger rund um Schorndorfer- Mömpelgard- , See- oder Eberhardstraße sehr wohl selbst versorgen konnten, mussten die Regenten zum Beispiel in der Unteren Stadt, wo Arbeiter und eher arme Leute lebten, etwas unternehmen. Aber nur wenige Wasseranlagen seien echte Brunnen gewesen, sagt Bergan. „Das waren eigentlich nur Grundwasseraufschlüsse, und in Zeiten der Trockenheit, versagte die Versorgung.“ Quellwasser gab es streng genommen nur am Feuersee.

Die erste große Wende kommt in dem Jahr, in dem die Preußen mit der Schlacht bei Königsgrätz die Weichen für das zweite Kaiserreich stellen: 1866 wird in Ludwigsburg das erste Wasserwerk gebaut – an der Leonberger Straße. Im Grunde nur ein wasserführender Schacht, die Verteilung des wertvollen Gutes wird per Dampfkraft geregelt. Sehr bald verschwinden die alten Brunnen. Und das, obwohl die Akten zeigen, dass für einen Wasseranschluss enorm hohe bürokratische Hürden genommen werden mussten. „Das war fast wie bei einer Baugenehmigung“, sagt Bergan. 1916 kam der Anschluss an die Landeswasserversorgung.

Nostalgie und Kunstsinn

Während die Brunnen in der Zwischenkriegs- und der unmittelbaren Nachkriegszeit offenbar bedeutungslos waren, erlebten sie in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine erstaunliche Renaissance – als nostalgische Architekturelemente oder als Kunstobjekte. Was also als historisch daherkommt, ist es in den meisten Fällen nicht. Der überwiegende Teil der Ludwigsburger Brunnen ist kaum 30 Jahre alt.