Nach den Querelen und Problemen der Vergangenheit will der Ludwigsburger Abfallbetrieb mit dem neuen Geschäftsführer Tilman Hepperele neu anfangen. Die Müllgebühren steigen 2018.

Ludwigsburg - Beginnen wir mit einer guten Nachricht: Jahrelang hat die Biotonne im Kreis Ludwigsburg ein Schattendasein gefristet. Seit einer Werbeoffensive im vergangenen Herbst sammeln nun die Bürger fleißig Kompost, Grünschnitt und fauliges Obst. Im vergangenen Jahr wurden 28 000 Tonnen aus den braunen Eimern abgeholt, ein Rekord. Dennoch zeichnet sich ab, dass die allgemeinen Müllgebühren im nächsten Jahr erneut steigen werden.

 

Den Rückenwind der Biotonne kann der kreiseigene Abfallbetrieb AVL gut gebrauchen. Der Streit um Atomschutt aus Neckarwestheim, die Auseinandersetzung mit den Bürgerinitiativen um Asbest und der Machtkampf zwischen dem Landrat Rainer Haas und dem Vize Utz Remlinger, der auch Co-Geschäftsführer der AVL war, all das soll abgehakt sein.

Die AVL wagt personell und strukturell einen Neuanfang. Im Herbst beginnt mit Tilman Hepperle ein neuer Geschäftsführer und löst Ina Jansen ab, die den Job interimsweise übernommen hat. Hepperle wird alleiniger Chef, der neue Vize-Landrat Jürgen Vogt ist nicht mehr für Abfall zuständig und auch nicht mehr Co-Geschäftsführer. Anders als ursprünglich geplant hat man jedoch keinen externen Kandidaten ausgewählt.

Der neue Chef kommt aus dem Landratsamt

Der 37-jährige Hepperle hat in Ludwigsburg und Witten/Herdecke studiert und war Direktor eines Netzwerkes von Familienunternehmern in Berlin. Seit Januar 2013 ist er Beteiligungsmanager des Landkreises Ludwigsburg.

Die Kreispolitiker verbinden mit ihm die Hoffnung, dass die seit Jahren in den Schlagzeilen stehende AVL wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt. Sie vollziehen damit aber auch eine Rolle rückwärts: Nach dem großen AVL-Skandal vor 20 Jahren um den damaligen Geschäftsführer Klaus Marbach, der fristlos gekündigt und wegen Vorteilsnahme und versuchter Steuerhinterziehung verurteilt wurde, hatte man bewusst die jeweiligen Vize-Landräte als Geschäftsführer eingesetzt. Hepperle soll nun wieder unabhängiger agieren können.

Offen bleibt noch die Frage, ob ein Teil der Müllgeschäfte in einen kommunalen Eigenbetrieb ausgegliedert wird, um Geld zu sparen. Bei den politisch gewählten Aufsichtsräten der AVL betont man jedenfalls, dass die AVL „saubere und korrekte Arbeit leiste“, wie der grüne Ex-Fraktionschef Peter-Michael Valet es ausdrückt. Er wirbt dafür, das schlechte Image der GmbH wieder aufzubessern: „Wir hatten zwei Jahre eine schlechte Presse.“

Müllgebühren: Schon wieder ein Aufschlag?

Doch das nächste schwierige Thema steht schon vor der Tür: Die Müllgebühren werden im kommenden Jahr noch einmal anziehen „An einer moderaten Steigerung kommen wir nicht herum“, so der FW-Aufsichtsrat Steffen Döttinger. Dabei war die Gebühr für dieses Jahr erst um fünf Prozent angehoben worden, was bei den Bürgern viel Unmut ausgelöst hat. Dies ist den Kreispolitikern bewusst. Der Landrat Rainer Haas verspricht daher: „Wir werden prüfen, wo wir noch einsparen und Synergien schöpfen können.“ Das Ziel sei es, die Gebühren stabil zu halten oder nur geringfügig zu erhöhen. Auch Haas wehrt sich gegen die Kritik der Bürgerinitiativen, die vor allem in Schwieberdingen gegen die Deponie Froschgraben Stimmung machen würden. Der Landrat: „Da wird versucht, die AVL als unzuverlässig darzustellen. Das ist nicht in Ordnung.“

Aktuelles Beispiel: die Bürgerinitiative beklagt, dass sich in der Deponie Froschgraben Schlammseen gebildet hätten. Die Mitarbeiter der AVL stellen klar: Es seien lediglich Wasserlachen in Zwischenräumen, die durch Erdaushub „einer Ditzinger Firma“ entstanden seien. Haas übt grundsätzliche Kritik: „Es werden immer einzelne Fälle herausgegriffen, über die man sich dann aufregen kann.“ Doch zurück zur Biotonne: Warum ist sie plötzlich populär bei den Bürgern? Das liegt nicht nur an guter Werbung, sondern auch am Preis. Denn die braune Tonne ist nur ein Drittel so teuer wie ein schwarzer Restmüllbehälter. „Wir haben die Leute an ihrem empfindlichsten Körperteil getroffen“, sagt der Landrat Rainer Haas denn auch, „an der Gesäßtasche.“

Das Ganze hat allerdings eine Kehrseite: Damit die Biotonne so günstig ist, muss der Kreis drei Millionen Euro drauflegen. Der SPD-Aufsichtsrat Joachim Wirth fordert in der Sitzung des AVL-Aufsichtsrates dennoch, noch mehr Reklame für das Angebot zu machen. Man wolle die Biotonne fördern, auch wenn es koste.

Der Erfolg der Biotonne wird teuer

Ein bisschen wird der Abfallbetrieb des Kreises also Opfer des eigenen Erfolges. Denn je mehr Bürger die Biotonne nutzen, desto mehr Geld muss zugeschossen werden. Und noch ein Problem schlummert buchstäblich in den Tiefen: Viele Deponien wie die im Froschgraben in Schwieberdingen, aber auch im Lemberg, sind fast oder ganz aufgefüllt.

Dann müssen sie begrünt und renaturiert werden – und kosten viel Geld, statt Einnahmen zu generieren. Damit das über lange Zeit funktioniert, muss die AVL sozusagen Geld bunkern. Das belastet schon jetzt die Bilanzen.

So kommt einiges zusammen, dazu die schwierige Marktlage. Die Gesetze verändern sich zu ungunsten der kommunalen Müllbetreiber, es tauchen private Wettbewerber auf. „Wir müssen uns auf eine neue Marktsituation einstellen“, stellt der CDU-Aufsichtsrat Reinhard Rosner fest. Das langjährige Erfolgsmodell, mit geschickten Ausschreibungen Geld zu sparen, funktioniert nicht mehr so. Und noch ein Thema kommt auf die AVL zu: Es muss dringend eine neue Erddeponie aufgemacht werden, auch hier herrscht ein Engpass.

Wenn Tilman Hepperle sein Amt als neuer AVL-Geschäftsführer am 1. Oktober antritt, ist jedenfalls eines jetzt schon gewiss: Langweilig wird ihm nicht.

Wertstoffe
Über das im Kreis verbreitete Wertstoffhof-System („Rund und flach) wurden im vergangenen Jahr 26 000 Tonnen Glas, Kunststoffe oder Metalle gesammelt. Biogut kamen 28 000 Tonnen zusammen, Altpapier 43 000, dazu noch rund 60 000 Tonnen Gras und Grünschnitt. Insgesamt wurden mehr Wertstoffe auf den Sammelstellen abgegeben als früher.

Restmüll Weil die Kreisbürger so fleißig getrennt und gesammelt haben, bleiben nur noch rund 67 000 Tonnen übrig, die beseitigt werden müssen. Fast 600 000 Tonnen Erdaushub kamen auf Deponien an. Immerhin noch 289 Tonnen wurden als „wilder Müll“ von den Bürgern illegal entsorgt.