Die NS-Militärgerichte seien eine „Pervertierung des Rechts“ gewesen, sagt die Politik. Trotzdem gibt es noch immer keine Rehabilitierung. Eine Ludwigsburger Initiative fordert ein Mahnmal für die Opfer der Nazirichter.

Ludwigsburg - Ein Soldat kann sterben, ein Deserteur muss sterben!“ Diese Maxime hatte Adolf Hitler 1933 ausgegeben. Militärrichter haben bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs verbissen daran festgehalten. Wer die Front verlassen hat, auch als der Untergang längst besiegelt war, wurde fast ausnahmslos hingerichtet. Auch das ist ein finsteres Kapitel der deutschen Justiz in der Nazizeit, von dem Oliver Thron jetzt im Ludwigsburger Staatsarchiv berichtet hat. Dazu gehört aber auch, dass viele Richter nach dem Krieg dennoch Karriere machen konnten, während viele Opfer ihrer Willkürjustiz bis heute nicht rehabilitiert sind.

 

Militärgericht in der Flakkaserne

Die Aufarbeitung der Geschichte der Fahnenflucht unter Hitler ist auch 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht gelungen. Im Gegenteil: Selbst wo es Initiativen geschafft haben, mit einem Mahnmal an das Schicksal der deutschen Deserteure zu erinnern – etwa in Ulm oder in Hamburg – gibt oder gab es immer wieder Konflikte. Trotzdem haben sich Werner Unseld und Walter Mugler von der Stolperstein-Initiative zum Ziel gesetzt, dass auch in Ludwigsburg ein solches Denkmal errichtet werden soll.

Ludwigsburg deshalb, weil sich von 1944 an in der Flakkaserne das Feldgericht der 465. Division befand. Eine Außenstelle dieses Ludwigsburger Gerichts befand sich in Ulm. 419 Namen von hier zum Tode verurteilten Wehrmachtsoldaten sind bekannt. Für eines der Opfer, Karl-Heinz Meyer, möchte die Stolperstein-Initiative in diesem November in Hamburg eine Erinnerungsplakette verlegen.

„Waffe zur Vernichtung politischer Gegner“

Über den Soldaten, der ursprünglich aus Hamburg stammte, der aber in der Ulmer Außenstelle des Ludwigsburger Gerichts zum Tode verurteilt und in Stuttgart enthauptet wurde, hat Oliver Thron auf Einladung der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) und der Linken referiert. Thron hat in Ludwigsburg studiert und ist mittlerweile Lehrer an einer Schule in Hamburg. 2011 hat er die Studie „Deserteure und ,Wehrkraftzersetzer’ – Ein Gedenkbuch für die Opfer der NS-Militärjustiz“ veröffentlicht.

Um zu belegen, wie die NS-Justiz in der Bundesrepublik politisch eingeschätzt wird, zitierte Thron die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Jedem Juristen müsse klar gewesen sein, dass die Militärgerichte nur als „Waffe zur Vernichtung politischer Gegner“ dienten, sagte sie. Die Richter hätten „perfide Taktiken angewandt“ und das Recht „pervertiert“. Dennoch warten die Angehörigen der Opfer noch immer auf Rehabilitation. Im Meyers Fall ist das Todesurteil bis heute nicht aufgehoben.

Besondere Schmach: Enthauptung

Thron stellte dessen Schicksal dem Werdegang des Landgerichtsdirektors Hermann Barnes gegenüber, der ihn zum Tode verurteilt hat. Zwar war dieser Nazirichter 1945 von den Alliierten aufgegriffen und in ein Entnazifizierungslager gebracht worden. Doch schon 1946 hat ihm der erste württembergische Justizminister, Josef Beyerle (CDU), einen Persilschein ausgestellt. Barnes wurde wieder Richter. Diesmal in der Bundesrepublik.

Insgesamt wurden von den NS-Militärgerichten 30 000 Todesurteile gegen Deserteure gesprochen. In 20 000 Fällen weiß man, dass sie auch vollstreckt wurden. In der Regel wurden die Soldaten erschossen. Wer indes besonders schmachvoll sterben sollte, wurde enthauptet. In den letzten Kriegsmonaten wurden viele Deserteure standrechtlich erschossen. Im übrigen haben die Juristen auch viele Akten verbrennen lassen, bevor sie den Alliierten in die Hände fallen konnten.