Nur ein Bruchteil der Betroffenen von häuslicher Gewalt sucht sich Hilfe. Auch weil sie nicht wissen, wo es die gibt. Der Landkreis Ludwigsburg versucht daran möglichst niederschwellig etwas zu ändern und sagt: Nehmen Sie Platz.
Sie ist knallorange, bietet Platz für bis zu drei Personen und ist für eine Metallbank recht gemütlich. Doch so schön sie auch aussieht – dass sie seit März auf dem Ludwigsburger Rathaushof steht, hat einen ernsten Hintergrund: Jede dritte Frau in Deutschland ist von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen. Nur 20 Prozent nutzen bestehende Hilfsangebote.
Die orangefarbene Bank soll auf das Hilfesystem bei häuslicher Gewalt aufmerksam machen, sensibilisieren, enttabuisieren – ein Zeichen setzen. In Ludwigsburg stehen weitere Exemplare auf der Bärenwiese, vor dem Jugendtreff LBC, bei der Evangelischen Hochschule und beim alten Stadtbad. 13 Kommunen im Landkreis beteiligen sich an der Aktion, für die die Stabstelle Gleichstellung des Landkreises verantwortlich ist. Dass die Bänke orange sind, hat die UN Women entschieden, die mit ihrer Kampagne „Orange the world“ seit 1991 auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam macht.
„Wer schlägt muss gehen“ – Wohnungsverweis schützt Frauen
Josephin Rehmann aus dem Fachbereich Sicherheit und Ordnung der Stadt Ludwigsburg ist Teil des Hilfeapparats. Sie wird informiert, wenn die Polizei kurz vor oder nach einem Vorfall den gewalttätigen Partner der Wohnung verwiesen hat. „Wer schlägt muss gehen“, nennt Rehmann den Grundsatz des Verfahrens. Nach Rücksprache mit den Beteiligten entscheidet sie, wie lang der Verweis bestehen soll. In den maximal 14 Tagen soll die Betroffene – meistens sind es Frauen – beraten werden. 2023 wurden in Ludwigsburg 42 Wohnungsverweise ausgesprochen. Dazu kommt es aber nur, wenn die Partner überhaupt zusammenwohnen. Insgesamt gab es im Kreis 783 Fälle von partnerschaftlicher Gewalt, die Dunkelziffer ist aber vermutlich deutlich größer.
Ludwigsburg war eine der Pilotkommunen, die 2000 das Wohnungsverweisverfahren testeten. Gesundheitsminister Manne Lucha nennt es „eine schnelle und wirkungsvolle Möglichkeit, Betroffene zu schützen“. Auch weil die Frauen nach ihrem Einverständnis direkt an eine Beratungsstelle vermittelt werden können.
Bänke verweisen auf Hilfsangebot
Warum so wenige Frauen das Hilfsangebot nutzen, erklärt sich die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ludwigsburg Judith Raupp damit, dass „viele das Hilfsangebot nicht kennen“. Hier soll die orangefarbene Bank ins Spiel kommen. An der Rückenlehne ist ein auffälliges Schild angebracht, auf dem nicht nur die Nummer des Hilfetelefons steht, sondern auch die des Beratungszentrums „Frauen für Frauen“ und des Silberdistel-Vereins. Ansprechen sollen die Hinweise nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch alle anderen, die in ihrem sozialen Umfeld auf Warnzeichen achten können.
Ob die Bänke bisher tatsächlich schon Frauen dazu bewegt haben, sich Hilfe zu suchen, ist unklar. Für das Thema sensibilisieren sie aber „auf jeden Fall“, da ist sich Raupp sicher. Dennoch sei man noch lange nicht am Ende. Es brauche mehr Frauenhausplätze, eine solide Finanzierung der Hilfsangebote, die Anerkennung, dass häusliche Gewalt eben kein privates Thema sei und die Übereinstimmung: wer Gewalt erfährt, hat keine Schuld.
Am 25. November, dem internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, wird das Ludwigsburger Rathaus orange angestrahlt sein. Wem die Bänke bis dahin nicht aufgefallen sind, fragt sich spätestens dann, was es damit auf sich hat.