Ein Konsortium um die RKH Regionale Kliniken Holding in Ludwigsburg verschickt Laborproben über den Lufweg. Die Kliniken übernehmen damit europaweit eine Pionierrolle – und das soll erst der Anfang sein.

Kurz vor 11 Uhr hat sich am Mittwoch auf dem Gelände der Orthopädischen Klinik in Markgröningen ein Schauspiel ereignet, das als Meilenstein in die Medizingeschichte eingehen könnte. Eine Drohne mit einer Spannweite von rund drei Metern schwebte brummend wie ein Schwarm von 100 Hummeln ein, setzte behutsam innerhalb des Landekreises auf – und hatte Bahnbrechendes geladen: Die Betriebsgenehmigung dafür, dass die Fluggeräte fortan Laborproben zwischen einzelnen Standorten hin und her transportieren dürfen. „Damit beginnt heute ein Stück Zukunft. Davon bin ich überzeugt“, sagte Cornelia Frenz, Direktorin Operatives Management bei der RKH Regionale Kliniken Holding.

 

Die Nase vor den Techgiganten

Wahrscheinlich hat sie mit dieser Prognose nicht zu hoch gegriffen. Denn die Kliniken betreten mit diesem Projekt Neuland. Europaweit, ja nicht einmal in den USA trotz all der dort ansässigen Techgiganten sei es bisher gelungen, eine Freigabe für den Regelbetrieb solcher Drohnen zu erlangen, erklärte Enrico Jensch, Geschäftsführer bei der Helios Health GmbH, die sich die RKH mit ins Boot geholt hat. Zu dem Konsortium, das diese Pionierleistung der medizinischen Logistik mit auf den Weg gebracht hat, gehört außerdem die German Copters DLS GmbH, Betreiber einer Drohnen-Airline.

Die rund 70 000 Euro teuren Geräte werden im Dienste der RKH zunächst zwischen den Häusern in Ludwigsburg, Markgröningen und Mühlacker hin und her surren. Helios setzt die filigranen Maschinen zwischen seinen Kliniken in Breisach und Müllheim im Freiburger Raum ein. Wobei der Regelbetrieb noch nicht sofort starten wird. Zunächst erfolgt in den nächsten Wochen das Feintuning, wird beispielsweise unter die Lupe genommen, wie die Beladung funktioniert.

Selbst um Parkbänke wird ein Bogen gemacht

Die Bevölkerung, versicherte German-Copters-Chef Holger Schulze, werde von all dem nichts mitbekommen. „Man wird die Drohnen weder sehen noch hören“, beteuerte er. Die Fluggeräte bewegten sich auf einer Höhe von rund 130 Metern, würden nur abseits der Siedlungen auf penibel untersuchten Routen unterwegs sein. Selbst um Parkbänke mache man einen Bogen. „Da kann ein Mensch drauf sitzen“, erklärte Schulze. Die ICE-Strecke werde auch erst an der Stelle gekreuzt, an der der Zug im Tunnel verschwindet, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Der Korridor, in dem man sich bewege, habe zudem die entsprechende Netzabdeckung. „Wir dürfen die Steuersignale nicht verlieren“, sagte Schulze.

In 25 Minuten von Ludwigsburg nach Mühlacker

Denn geflogen werden die Geräte von sogenannten Fernpiloten per Computer. Die Männer oder Frauen an den Steuerhebeln könnten theoretisch überall auf der Welt sitzen. Wichtig ist nur, dass sie jederzeit eingreifen könnten, weshalb die Flüge komplett überwacht werden, obwohl die Maschinen im Autopilot-Modus über Feld und Flur schweben. Genau das bewerkstelligen sie, und das macht sie zu einem so großen Hoffnungsträger, in einem konkurrenzlos schnellen Tempo. Die Strecke zwischen Ludwigsburg und Mühlacker können die Drohnen ohne Zwischenstopp in 25 Minuten absolvieren. Mit dem Auto braucht man dafür in der Regel eine gute Stunde, bei entsprechender Verkehrslage auch länger, wie RKH-Geschäftsführer Jörg Martin erklärte.

Patienten sollen von der Technik profitieren

Das ist dann auch der Punkt, an dem der Patient ins Spiel kommt. Denn der soll von der Verlagerung des Transports von der Straße in die Luft profitieren. Proben könnten weitaus schneller im Labor analysiert werden, betonte Martin. Er erinnerte daran, dass beispielsweise bei Krebsoperationen das Gewebe untersucht werden müsse, um zu klären, ob der Chirurg alle betroffenen Stellen erwischt hat. Würden Blutkonserven benötigt, könnte per Drohne ebenfalls rasch Nachschub herangeflogen werden.

Auch medizinisches Besteck könnte ein Thema werden

Helios-Mann Enrico Jensch blickte auch in die Zukunft, wenn die Drohnen statt drei Kilo wie jetzt einmal zehn Kilo aufladen könnten. Dann wäre es denkbar, medizinisches Besteck, das gerade nicht vorrätig ist, aber für eine OP gebraucht wird, flott heranschaffen zu lassen. „Sie machen deutlich schneller das verfügbar, was Sie brauchen, um den Patienten erfolgreich behandeln zu können“, sagte Jensch.

Erst am Anfang eines Weges

Insofern war bei der Feierstunde zur Übergabe der Genehmigung auch wiederholt die Rede davon, dass man sich am Anfang eines Weges befinde. „Womöglich ist dieses Projekt Vorbild für weitere Aktivitäten ähnlicher Art“, sagte die Stuttgarter Regierungspräsidentin Susanne Bay. Die Logistik im Gesundheitswesen werde sich dadurch nachhaltig verändern, prophezeite RKH-Frau Cornelia Frenz. Dafür könnte neben dem höheren Tempo sprechen, dass die Fracht mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck bewegt wird. Ein Fakt, den fast alle Projektbeteiligten herausstrichen. Weitere Strecken sollen zudem peu à peu dazukommen.

Mini-Airline ist in flottem Tempo unterwegs

Idee
Die Idee, Drohnen beim Transport von Laborproben einzusetzen, hatte der RKH-Geschäftsführer Jörg Martin, dem aber klar war, ein solches Projekt nicht alleine stemmen zu können. Also nahm man mit Helios einen der größten Player im europäischen Krankenhauswesen mit ins Boot. Die Drohnen selbst steuert die German Copters DLS GmbH bei, die die Geräte nicht selbst entwickelt, sondern kauft und dann im Stile einer Mini-Airline betreibt.

Tempo
Die Drohnen, die zwischen den Klinikstandorten verkehren werden, könnten theoretisch mit 200 Kilometern pro Stunde durch die Landschaft flitzen, werden aber im Regelbetrieb auf 78 km/h gedrosselt, um Energie zu sparen. Die Reichweite liegt bei rund 100 Kilometern. Die Maschinen wiegen circa 7,5 Kilogramm und werden Ladung mit sich führen, die bis zu drei Kilogramm schwer sein wird. Verwendet werden für den Transport Spezialbehälter.