24 Jahre und damit so lange wie kein anderer Landrat ist Rainer Haas im Amt. Trotzdem hat er mit seiner Ankündigung, sich aus der Politik zurückzuziehen, am Freitag alle überrascht. Nun dominiert in Ludwigsburg das Bedauern – auch bei politischen Gegnern.

Ludwigsburg - Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas hat am Freitagabend überraschend angekündigt, nicht mehr für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Damit wird Haas am 4. Januar 2020 aus dem Amt ausscheiden. Schon seit einiger Zeit war spekuliert worden, ob der 62-Jährige sich noch einmal zur Wahl stellt – die meisten Beobachter waren überzeugt, dass er weitermacht. Am Ende der Kreistagssitzung am Freitag beendete Haas jetzt alle Mutmaßungen und erklärte: „Ich stehe für eine vierte Amtszeit nicht zur Verfügung.“ Es sei das Recht der Kreisräte und aller Bürger, nach einer derart langen Zeit „ein neues Gesicht zu sehen“. Er sei zwar nicht amtsmüde und erfreue sich bester Gesundheit, aber: „24 Jahre sind genug.“

 

Haas ist aktuell der dienstälteste Landrat in Baden-Württemberg. Er freue sich darauf, sich vom kommenden Jahr an anderen Dingen widmen zu können, sagte er. Welchen, ließ er offen. „Aber ich kann Ihnen versichern: Mir wird nicht langweilig.“

2011 holte Haas ein Rekordergebnis

Nach seiner Ankündigung erhielt Haas lang anhaltenden Applaus von den Kreisräten. Er gilt als beliebt. 2011 war er vom Kreistag mit einem Rekordergebnis von 84,3 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden – ein besseres Ergebnis hat nie ein Landrat vor ihm im Kreis Ludwigsburg erzielt. In ersten Reaktionen überwiegt daher das Bedauern über den Rückzug.

„Ich bin überrascht und finde es sehr schade“, sagte Gabriele Moersch, die für die Freien Wähler im Kreistag und im Ludwigsburger Gemeinderat sitzt. Haas habe den Landkreis hervorragend vertreten und sehr gute Arbeit geleistet. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende und Bietigheim-Bissinger Oberbürgermeister Jürgen Kessing bescheinigt Haas gute Arbeit. „An ihm weiß man, was man hat. Was jetzt kommt, wissen wir nicht.“

Selbst der Ludwigsburger OB sagt, er bedaure den Rückzug des Landrats

Respekt vor einer „langen und großartigen Leistung“ äußert der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec, der vor allem in der jüngeren Vergangenheit mehrfach mit Haas aneinander geraten war. Der Landrat hat mit aller Macht für den Bau einer neuen Stadtbahn im Kreis Ludwigsburg gekämpft, während Spec für die Lösung der Verkehrsprobleme ein neuartiges Schnellbussystem installieren will.

Erst Anfang 2019 fanden die Stadt und der Kreis zu einem Kompromiss, jetzt sollen beide Projekte umgesetzt werden. Spec erwähnt in seiner Stellungnahme zwar die „sehr kontroverse Diskussion“, betont aber, dass er die Verkehrsprojekte gerne „in enger Zusammenarbeit“ mit Haas umgesetzt hätte. „Er hat für den Landkreis viel geleistet.“ Hervorstechend seien nicht nur tolle Strukturen bei den Hochschulen und Krankenhäusern. Auch Europa und die Internationalisierung habe Haas mit Herzblut betrieben.

Wer wird der Nachfolger?

Tatsächlich ist Europa, die Europäische Einigung, ein Herzensanliegen von Haas. Mit kleinen und größeren Initiativen hat er versucht, die Verbindungen in andere Länder und Regionen zu festigen. Die Belohnung erhielt der frankophile Landrat Ende 2009: Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy ließ ihn zum Ritter der Ehrenlegion ernennen. 2015 erhielt er den italienischen Orden „Cavaliere dell’Ordine della Stella d’Italia“. Dem diesjährigen Neujahrsempfang gab Haas das Motto: „Serata italiana“, italienischer Abend, im Mittelpunkt stand die italienisch-deutsche Freundschaft. Er nutzte die Chance, vor den zahlreichen italienischen Gästen vor Populismus und Nationalismus zu warnen.

Haas ist in Gerlingen aufgewachsen und hat Jura und Philologie studiert. Seine erste berufliche Station war das Landratsamt des Ostalbkreises. Von 1986 bis 1988 war er Richter am Verwaltungsgericht Stuttgart und danach Beamter im Innenministerium. Seine politische Karriere begann er 1991 als Erster Landesbeamter im Rems-Murr-Kreis. Am 17. November 1995 wurde er als Parteiloser vom Ludwigsburger Kreistag zum Landrat gewählt – damals noch knapp mit nur 40,6 Prozent der Stimmen.

Namen von potenziellen Nachfolgern kursierten in den vergangenen Wochen nicht, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Zu überzeugt waren offenbar alle Fraktionen, dass der Landrat noch eine Amtszeit dranhängt. Haas selbst sagte dazu am Freitag, dass ihm die Entscheidung sehr schwer gefallen sei, er werde die Arbeit im Kreishaus vermissen. „Aber jetzt ist es sicher gut, wenn jemand kommt, der neue Akzente setzt und manches anders macht als ich.“ Um dann hinzuzufügen: „Manches besser, manches genauso gut – und manches vielleicht auch nicht so gut.“