Der Autokonzern verabschiedet sich als Sponsor der Schlossfestspiele – und gerät massiv in die Kritik. In Ludwigsburg wird jetzt spekuliert, ob das Programm abgespeckt werden muss, um die Lücke im Etat zu schließen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Manchmal ist es auch interessant, wer sich alles nicht zu einem Thema äußern möchte. Daimler zieht sich überraschend als Sponsor der Ludwigsburger Schlossfestspiele zurück, und Oberbürgermeister Werner Spec, in Personalunion Vorsitzender des Festival-Aufsichtsrats, lässt ausrichten: Er werde nicht Stellung nehmen. Der Ludwigsburger Sozialbürgermeister Konrad Seigfried sagt ebenfalls nichts. Der Intendant Thomas Wördehoff hält sich bedeckt und erklärt lediglich, dass „das ja keine ganz einfache Geschichte“ sei. Offenbar wiegt die Geschichte sogar so schwer, dass sich in Ludwigsburg niemand mit vorschnellen Statements die Finger verbrennen will.

 

Der Kulturrat nennt den Daimler-Rückzug verantwortungslos

Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, findet Worte, und zwar deftige. Man fordere die Daimler AG auf, ihre Entscheidung zu überdenken, heißt es in einer eilig verschickten Mitteilung aus Berlin. Zumal der Konzern offenbar auch die Stuttgarter Staatsgalerie nicht mehr unterstützen wird. „Deutlicher kann ein Unternehmen seine Verantwortungslosigkeit gegenüber der Allgemeinheit nicht zeigen“, kritisiert der Kulturrat und verweist auf die hohen Gewinne des Konzerns.

Auch Daimler selbst äußert sich. Es sei der Wunsch der Belegschaft, dass das Unternehmen schwerpunktmäßig Projekte unterstütze, bei denen die eigenen Mitarbeiter aktiv involviert seien, sagt Sabrina Schrimpf aus der Daimler-Kommunikationsabteilung. In diesem Zusammenhang habe man entschieden, die Ludwigsburger Schlossfestspiele nicht mehr zu sponsern.

Details nennt Daimler nicht, aber es ist bekannt, dass der Konzern das Sponsoring in Ludwigsburg in den vergangenen Jahren mehrfach reduziert hat – von einer halben Million auf zuletzt 80 000 Euro jährlich. „Ich habe gehofft, dass Daimler die Förderung in besseren Zeiten wieder aufstockt“, sagt Claus-Dieter Meyer, CDU-Stadtrat und Mitglied des Festival-Aufsichtsrats. Stattdessen zieht das Unternehmen nun sogar den Schlussstrich – und das Festival verliert weitere 80  000 Euro. Mit sofortiger Wirkung.

„Verheerendes Zeichen für die Kultur im Land“

„Es geht hier weniger um die Schlossfestspiele, sondern vielmehr darum, dass sich Daimler gerade großflächig aus dem Kultursponsoring zurückzieht“, kritisiert Jürgen Walter, Staatssekretär im baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Die Entwicklung sei bedenklich und ein „verheerendes Zeichen“ für die Kunst und Kultur im Land.

Walter hat bereits ein Treffen mit Wördehoff und Spec vereinbart, wobei über die Folgen für Ludwigsburg gesprochen werden soll. „Man wird schauen müssen, wie man das Geld einsparen kann.“

Der Gesamtetat des Festivals liegt bei rund 3,7 Millionen Euro pro Jahr, die Hälfte der Kosten tragen Land und Stadt, ein Drittel wird erwirtschaftet, dazu kommt das Geld mehrerer Sponsoren und eines Fördervereins. Die Veranstaltungen seien „absolut solide und stabil finanziert“, sagt Hans Jochen Henke, ehemals Oberbürgermeister in Ludwigsburg und heute Vorsitzender des Festspiel-Kuratoriums. Er sehe keine Anhaltspunkte, dass das Festival nach dem Wegfall von Daimler in irgendwelche Schwierigkeiten geraten könne.

Wie die Lücke im Etat aufgefüllt werden kann, ist unklar

Der SPD-Stadtrat Eckart Bohn, ebenfalls Mitglied im Festspiel-Aufsichtsrat, sieht nun die Festival-Leitung am Zug. Die große Aufgabe werde sein, so schnell wie möglich weitere Sponsoren zu gewinnen und so die Lücke im Etat wieder aufzufüllen, sagt Bohn. Für das laufende Jahr allerdings scheint das kaum noch möglich zu sein, denn die Schlossfestspiele beginnen bereits im Mai.

Denkbar ist auch, dass die Stadt oder das Land in diesem Jahr außerplanmäßig mehr Geld zuschießen. Ausgleichen ließe sich die Deckungslücke ansonsten wohl nur, indem das Programm abgespeckt wird. „Notfalls muss man eben jemanden wieder ausladen“, sagt Eckart Bohn.