Bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen haben Isabelle Faust, Jean-Guihen Queyras und Alexander Melnikov Klaviertrios von Beethoven gespielt: ein Ereignis!

Ludwigsburg - Was für ein Pianist! „Sein Spiel“, schwärmt einer, der ihn hörte, „unterscheidet sich so sehr von der gewöhnlichen Art, das Klavier zu behandeln, dass es scheint, als habe er sich einen ganz eigenen Weg bahnen wollen, um zu dem Ziel der Vollendung zu kommen, an welchem er jetzt steht.“ Am Flügel im Ordenssaal des Ludwigsburger Schlosses sitzt Alexander Melnikov; sein Spiel unterscheidet sich so sehr von der gewöhnlichen Art, das Klavier zu behandeln, dass man den stillen, ernsten Mann nicht genug loben kann – aber jener, der eingangs schwärmte, war ein Zeitgenosse Beethovens, und es war das Spiel des 21-jährigen Komponisten, das Carl Ludwig Juncker 1791 in Verzückung versetzte.

 

Welch ein Gleichklang! Melnikov, dem sogar jenes „Liebe, leise Gestimmte“ zu eignen scheint, das Juncker ebenfalls seinerzeit (noch) mit Beethoven verband, ist das Herz des Ensembles, das am Donnerstagabend bei den Schlossfestspielen vier Klaviertrios Ludwig van Beethovens gespielt hat. Die Geigerin Isabelle Faust und der Cellist Jean-Guihen Queyras haben ihre Vorstellungen von rhetorischer Gestaltung wie von klangfarblicher und dynamischer Detailgestaltung auf feinste Weise homogenisiert: Schon das anfängliche gemeinsame Hineingleiten in die zackigen Themenkurven des frühen Trios WoO 38 könnte präziser und beweglicher kaum sein, und während des ganzen Abends wird das Geben und Nehmen der Streicherphrasen, das gegenseitige Ergänzen und Fortführen von Geige und Cello immer wieder klingen, als spielte nur ein Musiker auf acht Saiten. Viel Mut zum Risiko, auch zu Extremen vor allem bei Momenten eines oft fast zerbrechender Leisen (bei den Trios op. 70), ein sehr agiler Ton und ein kluger Umgang mit Spannungsbögen prägen das gemeinsame Spiel. Sogar das noch etwas Floskelhafte des mit reichlich Zierwerk versehenen Es-Dur-Trios wie auch der thematisch von schlichten Dreiklangsbrechungen geprägten vierzehn Variationen op. 44 gewinnen so zu an Wert, und aus seiner Lust an Variation, Durchführung und an rauen Betonungen jenseits der Taktschwerpunkte hört man beim frühen Beethoven schon den späten heraus.

Streicherton und Klavierton gleiten ineinander

Welch ein Wunder! Alexander Melnikov gelingt es im Rücken seiner Triopartner, das größte Problem des Zusammenspiels von Saiteninstrumenten und Tasteninstrument spielend zu lösen: Mit seinem weichen, ungemein beweglichen Anschlag, mit sanfter Pedalisierung und vielfältigen Piano-Nuancen treibt er den sehr direkten Ton des Flügels so weit in Richtung des indirekten Streicherklangs, dass immer wieder Aktionen des Trios fast ununterscheidbar ineinander gleiten. Die Atmosphäre im Largo des „Geistertrios“ (op. 70,1) ist auf so packende Weise fahl, die Kongruenz von gezupften Saiten und staccato angeschlagenen Tasten derart frappierend, dass man sofort versteht, warum die Romantiker in diesem langsamen Satz gespenstische Erscheinungen, Fledermäuse und schauerliche Momente des Un- und Unterbewussten zu hören meinten. Tatsächlich könnte die musikalische Atmosphäre hier schlicht der zeitlichen Nähe zur Arbeit Beethovens an einer „Macbeth“-Oper geschuldet sein. Auch die Magie des Triospiels von Faust, Queyras und Melnikov hat pragmatische spieltechnische Wurzeln. Aber was schert uns das, wenn wir an Wunder glauben können?