Das tragische Unglück im Südtiroler Skigebiet Haideralm mit zwei Toten hat juristische Konsequenzen. Experten haben am Freitag das Gelände inspiziert, in dem eine neunköpfige Gruppe aus Ludwigsburg von einer Lawine erfasst worden ist.

Ludwigsburg - Das Lawinenunglück am Reschenpass, wobei eine Elfjährige und ihre Mutter aus Ludwigsburg tödlich verletzt wurden, hat juristische Folgen. Die italienische Polizei in Bozen und die Staatsanwaltschaft ermitteln gegen Mitglieder der neunköpfigen Skifahrergruppe, die am Mittwoch nahe der Haideralm in das Schneebrett geraten war, wegen des Verdachts des Auslösens einer Lawine. Sowohl die Ludwigsburger Schneeläuferzunft, der die Opfer und die nur knapp der Wucht der Lawine entronnenen Personen angehören, als auch die Überlebenden selbst haben sich anwaltliche Unterstützung geholt.

 

Dabei dürfte es auch um die Frage gehen, ob die 45-jährige Mutter, wie es seitens einiger Medienberichte heißt, keinen Lawinen-Airbag bei sich getragen hatte, als sie von dem etwa 150 Meter breiten, großflächigen Schneeabriss abseits der Piste überrascht wurde. Gernot Jäger, der Vorsitzende der Ludwigsburger Schneeläuferzunft, ist sich dagegen „hundertprozentig“ sicher, dass die Mutter ebenso wie ihre Mitfahrer dieses Sicherheitssystem bei sich hatte – nur aber nicht mehr rechtzeitig auslösen konnte, womöglich weil sie ihre Tochter retten wollte. Es gebe Bilder vom Vortag, wo sie mit dem Rucksack zu sehen sei. Auch habe er mit Zeugen gesprochen, die gesehen hätten, „dass sie den Rucksack am Unglückstag getragen hat“.

„Die haben Schreckliches erlebt“

Jäger und und sein Stellvertreter Michael Finkbeiner waren am Donnerstagmorgen in das Unglücksgebiet gefahren, um sich um die betroffenen Familien zu kümmern. Die Stimmung dort sei bedrückt. „Die sind am Boden zerstört, die haben Schreckliches miterlebt“, sagt Jäger.

Der Skiclub veranstaltet mehrmals im Jahr Freizeiten auf der Haideralm, die auf 2200 Meter oberhalb des Reschensees liegt. Die Lawinenopfer sind zwar Mitglieder des Vereins, haben ihr Trainingslager aber privat organisiert und wohnen in der Talgemeinde St. Valentin auf knapp 1500 Meter. Gleichwohl sind einige der 45 Teilnehmer der Neujahrsausfahrt tagsüber in regem Kontakt mit den Rennsportlern, die zumeist in den Vormittagsstunden ihre Slalomtechnik an einem Hang unweit der Haideralm optimieren. Speziell die Familie der Toten „war bei uns bestens integriert“, sagt Jäger. Sie seien sportliche Aushängeschilder gewesen, aber hätten auch Jahr für Jahr einen Skibasar mitorganisiert.

Diese Lawinenarten gibt es:

Zwei Tage von der Polizei vernommen

Laut Gernot Jäger sind die Überlebenden des Unglücks zwei Tage hintereinander, jeweils einzeln polizeilich vernommen worden. Der Vorsitzende hat aus ihren Schilderungen entnommen, dass die Polizeibeamten bei ihren Befragungen „taktlos und grob“ vorgegangen seien. Er habe nach seiner Rückkehr nach Ludwigsburg „mit einem prominenten Anwalt“ gesprochen, um den Verunglückten auch seitens des Vereins Unterstützung zu gewähren. Auch die Betroffenen selbst haben sich juristischen Beistand besorgt.

Nach bisherigen Erkenntnissen hat sich der Unfall am Mittwoch gegen 14 Uhr ereignet. Nach dem Stangentraining war die neunköpfige Gruppe aus Ludwigsburg und nahegelegenen Kommunen mit einer Dreier-Sesselbahn auf etwa 2400 Meter hinaufgeliftet, um abseits der Pisten im Neuschnee hinabzufahren. Zu dieser Zeit herrschte die Lawinenwarnstufe 3, was einer „erheblichen“ Gefährdung entspricht. Zudem verschlechterte sich die Sicht zunehmend. Etwa auf Höhe der Haideralm, jedoch einige Hundert Meter südwestlich in einem Seitental, erwischte sie das verheerende Schneebrett.

Das sind die Lawinen-Warnstufen:

Neuschnee behindert die Untersuchungen

Wegen des schlechten Wetters war ein Hubschraubereinsatz nicht möglich, die Bergretter mussten mit Tourenskiern zu der Unglücksstelle ausrücken und waren erst etwa eine Stunde später bei der Ludwigsburger Skigruppe.

Kollegen von Lukas Rastner, Lawinenwarner und Meteorologe der Provinz Bozen, haben am Freitag das Gelände inspiziert, in dem die Lawine abgegangen ist. Es sei schwer zu rekonstruieren, auf welcher Höhe die Lawine tatsächlich abgebrochen sei. „Aber die Leute“, sagt Rastner, „mit denen ich gesprochen habe, gehen von 2600 Metern aus.“ Das müsse aber noch bestätigt werden. Wenngleich das, warnte er, immer schwieriger werde, denn wegen des vielen Neuschnees sehe man von der Lawine vermutlich gar nichts mehr.

Wenn sich die Einschätzung bestätige, dass die Schneemassen weit oberhalb der Tiefschneefahrer abgerissen seien, sagt Rastner, sei klar, dass die Ludwigsburger Gruppe die Lawine kaum selbst ausgelöst habe. Der Experte wies zudem die Behauptung des Südtiroler Bergretters Tobias Folie zurück, die er in diversen Medien vertreten hat. Danach hätten die Mitglieder der Schneeläuferzunft die Lawine selbst ausgelöst: „Ich wäre bei solchen Einschätzungen zurückhaltender.“

Die Lawinen-Ausrüstung:

Für die Reisegruppe des Vereins verzögert sich indes die Abfahrt nach Ludwigsburg, die eigentlich für Freitag vorgesehen war, auf Samstag. Der Reschenpass ist wegen Lawinengefahr gesperrt.