Ludwigsburgs Kreischef Allgaier Der Landrat, der „Tobi“ und die Kornwestheim-Connection

Bei der Buchvorstellung (von links): Landrat Allgaier, Autor Epple, Kreissparkassenchef Schulte Foto: Kreissparkasse Ludwigsburg

Die Wirtschaft zu fördern ist dem Ludwigsburger Kreischef Dietmar Allgaier wichtig. Für einen Unternehmer aus der gemeinsamen Heimatstadt legt er sich auffällig ins Zeug. Was hat das mit dem Job seiner Frau zu tun?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Als der VfB Stuttgart nach einen Interimspräsidenten fahndete, gab es ein klares Anforderungsprofil. Gesucht wurde eine „integre Führungspersönlichkeit, die über langjährige Erfahrung in Gremienarbeit sowie über weitreichende Kompetenz in Satzungs- und Strukturfragen verfügt“. Fündig wurde der Fußballclub in Dietmar Allgaier (CDU), dem Ludwigsburger Landrat. „Tue recht und scheue niemand“, bekannte er wenig später, sei sein Lebensmotto, das ihm einst die Großmutter mit auf den Weg geben habe.

 

Wenige Wochen danach erhielt Allgaier (58) ein weiteres Ehrenamt, in dem ähnliche Qualitäten gefragt sind: Er zog in den Hochschulrat der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ein, jener in Ludwigsburg ansässigen Beamten-Kaderschmiede, an der er einst selbst studiert hatte. Seiner „Vorbildfunktion“ dort ist er sich wohl bewusst – und verweist in diesem Zusammenhang besonders auf sein Engagement für die Wirtschaft im Landkreis.

Im Einsatz für alle Unternehmen, „ob groß oder klein“

Seit langem, lässt der Landrat ausrichten, sei ihm „die Wirtschaftsförderung sehr wichtig“. Schon als Erster Bürgermeister in seiner Heimatstadt Kornwestheim habe er sich „der Förderung von Start-up-Unternehmen verschrieben“, als Geschäftsführer der städtischen Tochtergesellschaft Techmoteum. Auch als Kreischef liege ihm sehr daran, die „hohe Wirtschaftskraft zu erhalten“ und die Transformation der Unternehmen zu unterstützen. Dazu entfalte er eine Fülle von Aktivitäten: Erst im Oktober sei eine „Zukunftsstrategie“ für die Wirtschaft gestartet worden, für die man Firmen befragt und einzelne Vertreter in ein Expertengremium eingebunden habe. Seit 2021 sei im Landratsamt eine Wirtschaftsförderstelle eingerichtet.

Regelmäßig besuche Allgaier zudem Unternehmen oder deren Veranstaltungen: Großen Firmen wie Trumpf in Ditzingen, Bosch in Schwieberdingen oder Mercedes AMG in Affalterbach mache er ebenso seine Aufwartung wie Mittelständlern. Ob es um das 70-Jahr-Jubiläum von Sioux in Walheim, um eine Werbeaktion von Hofläden oder einen Spezialitätenmarkt geht – Allgaier kümmere sich um alle Unternehmen, „egal ob groß oder klein“.

Tobias Epple – ein Unternehmer als Multitalent

Die Aufzählung der Pressesprecherin soll zeigen, dass sein Einsatz für eine eher kleine Firmengruppe keineswegs aus dem Rahmen falle. Auffällig aber ist es allemal, wie sich der Landrat für Tobias Epple und dessen Aktivitäten ins Zeug legt. Der 35-Jährige aus Kornwestheim, aus einer Unternehmerfamilie stammend und selbst Unternehmer, ist ein wahres Multitalent: Verkäufer, Vermittler, Autor, Verleger, Trainer, Berater, Redner – für all das unterhält er eigene Firmen, die in einem schlichten Wohnhaus in einem Mischgebiet am Stadtrand residieren. Die vielen Namen passen kaum auf die beiden Briefkastenklappen. Lange war die Landesbausparkasse (LBS) Süd sein wichtigstes Standbein, für die er als Bezirksdirektor arbeitete, seit Oktober vermittelt er auf eigene Faust Baufinanzierungen an Privatkunden. Eine große Nummer ist Epple – leicht gedrungene Statur, Vollbart, schwäbischer Sound – eigentlich nicht, aber er versteht es glänzend, sich zu vermarkten.

Der Landrat hilft ihm dabei, wo er kann – und dessen Ehefrau ebenso. Als Teilzeitkraft wirkt Bettina Allgaier seit bald fünf Jahren in Epples Firmengruppe. „Leiterin Kompetenzzentrum für Führung und Vertrieb“, „Redaktionsleiterin“ – so klingen im Berufsnetzwerk Linked-in ihre Bezeichnungen. Man kennt und schätzt sich vom Förderverein der Theodor-Heuss-Realschule in Kornwestheim, man schwärmt für die gemeinsame Heimatstadt, man teilt die Nähe zur CDU, für die der Unternehmer neuerdings im Gemeinderat sitzt.

Seine Ehefrau profitiert laut Allgaier nicht

Dietmar Allgaier muss also damit rechnen, dass die „Kornwestheim-Connection“ genau beäugt wird. Doch nur einmal wurde sie bisher öffentlich hinterfragt. „Vetterleswirtschaft im Landratsamt?“ lautete die StZ-Schlagzeile, als Anfang 2024 die Runde machte, dass der Kreis mehr als 100 Exemplare eines Gesellschaftsspiels aus dem Epple-Verlag („Energie-Alarm“) erworben hatte, dank Mengenrabatt zum reduzierten Stückpreis von 35 Euro. Es ging als Weihnachtsgeschenk an die Kreisräte, passend zum Klimaschutz-Schwerpunkt im Folgejahr. Als der Vorschlag aufkam, habe er sich „komplett rausgenommen“, erklärte der Landrat damals. Seine Frau habe von dem Ankauf nicht profitiert, am Gewinn des Verlags sei sie nicht beteiligt.

Es war weder die erste noch die einzige Bestellung. Im Sommer 2023 orderte der Kreis 40 Exemplare von Epples Buch „Chefsache Vertrieb“, Gesamtpreis: 996 Euro. Der Bestseller, an dem auch weitere Autoren mitwirkten, wurde bei Veranstaltungen der Wirtschaftsförderung oder Firmenbesuchen eingesetzt. Bereits 2022 hatte man Epples Buch „Was Elon Musk von meiner Oma lernen kann“ erworben, als Teil eines Weihnachtspräsentkorbs mit regionalen Spezialitäten und Wein. Gesamtpreis für 25 Stück: 749 Euro. Auch von Epples „Experten-Magazin“ gingen 300 Exemplare an den Kreis, für Veranstaltungen der Wirtschaftsförderung; die darin abgehandelten Trends in der Unternehmensführung seien gerade für Mittelständler interessant.

Der Landtrat als Redner bei einer Buchvorstellung

Für das Oma-Buch hängte sich Allgaier besonders rein. Er schrieb nicht nur das Vorwort und ließ sich im „Experten-Magazin“ dazu interviewen, sondern sprach auch bei der Präsentation in der MHP-Arena. Der „Tobi“ tue in dem Werk, was er am besten könne, lobte der Landrat laut der flankierenden Pressemitteilung: „Er bürstet die stromlinienförmige Geschäftswelt mit ihren gleichermaßen schlichten wie populären Halbwahrheiten und Binsenweisheiten gegen den Strich.“ Die ganze Rede lässt sich noch heute in einem Video verfolgen. Eine Rezensentin würdigte das Buch als gut lesbar, wies aber darauf hin, dass es als „nicht unwichtiger Bestandteil der Werbung“ für Epples Dienstleistungen anzusehen sei.

Als Tobias Epple für 2021 in die „Top 100 Excellente Unternehmer“ aufgenommen wurde, wollte Allgaier das Siegel sogar persönlich übergeben; nur ein Corona-Lockdown verhinderte das. Dafür ließ sich der Kreischef lobend in einer Pressemitteilung der Kreissparkasse zitieren, die die „hohe Auszeichnung“ für den Unternehmer bejubelte. Tatsächlich wird sie von einer kommerziellen Redneragentur vergeben, nach deren Angaben in einem „mehrstufigen Evaluationsprozess“, und dient vor allem Werbezwecken.

Keine Regeln für Werbe-Aktivitäten von Landräten

Inwieweit ein Landrat Werbung für Firmen machen darf, ist laut dem Landkreistag übrigens nicht geregelt. Es müsse „stets abgewogen werden zwischen der Ausübung einer angemessenen Wirtschaftsförderung einerseits und der Beachtung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes andererseits“, erläutert ein Sprecher. Sanktionen drohen indes keine. Als der Landrat des Rhein-Neckar-Kreises während der Corona-Zeit im Video offensiv für das Gratis-Angebot eines Fitnessstudios warb, lief eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn ins Leere.

Dietmar Allgaier kann an seinem Engagement nichts Problematisches finden. Dass seine Frau für Epple arbeite, lässt er ausrichten, dürfe diesem „nicht zum Nachteil gereichen“. Präsente oder Bücher kaufe man auch sonst gerne von heimischen Produzenten oder Autoren. Im Übrigen tue er nur das, was er für viele andere Unternehmen auch tue – was eine lange Liste von Aktivitäten dokumentieren soll. Ähnlich wie Allgaier wundert sich auch Tobias Epple über die Frage nach der „Kornwestheim-Connection“. Er freue sich, dass Landrat und Kreis „regionale Unternehmen im Blick haben und unterstützen“ – seine nicht anders als viele andere. Ein gutes Zusammenspiel zwischen Gesellschaft, Politik und Verwaltung sei gerade „in dieser Zeit unverzichtbar“.

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