Noch ist offen, wann die Luftqualität in den Klassenzimmern der Römerschule gemessen wird. Sollten die Stickstoffdioxidwerte wie etwa in manchen Berliner Schulen und Kitas über dem EU-Grenzwert liegen, wird die Politik um drastische Maßnahmen kaum herumkommen.

Stuttgart - Die überraschende Ankündigung der Stuttgarter Schulbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP), erstmals auch Schadstoffmessungen im Hinblick auf die Luftverschmutzung in Schulräumen durchführen zu lassen, hat die Rathausspitze offenbar unvorbereitet getroffen. Derzeit wird nach Informationen unserer Zeitung noch sondiert, wann die Messungen durchgeführt werden und ob man eventuell dafür externe Spezialisten hinzuzieht. Klar ist allerdings schon jetzt: Sollten in den Klassenzimmern der Römerschule überhöhte Konzentrationen von Stickstoffdioxid gemessen werden, dürfte der Druck auf die Kommunalpolitik steigen, drastischere Maßnahmen zur Bekämpfung des überwiegend aus Autoabgasen stammenden Schadstoffs zu ergreifen.

 

Wie groß ist Stuttgarts unsichtbare Verschmutzung wirklich – und welche Gesundheitsgefahren liegen in der Luft? Feinstaub und Stickoxide – die Fakten im Check lesen Sie hier.

Forscher der Universität Heidelberg hatten im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace im Jahr 2015 in Berlin erstmals auch die Stickstoffdioxidbelastung in Schulräumen, Kindertagesstätten und Wohnungen gemessen, die an stark befahrenen Straßen liegen – mit teilweise erschreckenden Resultaten. Bei Spotmessungen wurden dort Werte gemessen, die den erlaubten Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft deutlich überstiegen. Bei der Umrechnung der punktuell gemessenen Konzentrationen durch Vergleiche mit nahe gelegenen Berliner Umweltmessstationen zeigte sich, dass aufs Jahr hochgerechnet die Belastungen teilweise über, teilweise aber auch unter dem von der EU verordneten Jahresmittelwert lagen.

Für Kinder sind Luftschadstoffe besonders schädlich

Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hatte Innenraummessungen nach Berliner Vorbild bisher nicht für notwendig erachtet. Und das, obwohl der Heidelberger Umweltphysiker Denis Pöhler – diesmal im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe – ebenfalls 2015 auch in Stuttgart etwa an der Hauptstätter Straße vor der Römerschule, am ZeppelinGymnasium beim Stöckach oder vor dem Katharinenhospital deutlich überhöhte Stickstoffdioxidkonzentrationen registriert hatte. Auch nach Angaben der Stadt lag die Stickstoffdioxidbelastung auf dem Schulhof der Römerschule im Jahresmittel mit 36 bis 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zumindest nahe am Grenzwert. Sollten die Messungen in den Schulräumen, die auf Druck einer Elterninitiative nun veranlasst werden sollen, überhöhte Stickstoffdioxidwerte ergeben, könnte dies einen Präzedenzfall schaffen – mit weitreichenden Folgen. Zumindest weitere Erhebungen in Gebäuden wären dann wohl unumgänglich.

Zahlreiche medizinische Studien sowohl aus Europa als auch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) belegen inzwischen hinlänglich einen Zusammenhang zwischen der Stickoxidbelastung und Lungenkrankheiten wie Asthma bis hin zu Bronchialkarzinomen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Für Kinder, aber auch für bereits einschlägig vorbelastete Menschen sind die Auswirkungen besonders gravierend. Zwar will das Land vom nächsten Jahr an Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge im Talkessel sowie in Teilen von Feuerbach und Zuffenhausen an Feinstaubalarmtagen verhängen. Sollte allerdings die Luftbelastung auch in Innenräumen über dem zulässigen Grenzwert liegt, müsste sich die Politik mehr einfallen lassen.

Vor allem jene Parteien im Gemeinderat, die sich bisher hartnäckig gegen Fahrverbote wehren und sogar dafür plädieren, den angeblich imageschädigenden Begriff Feinstaubalarm abzuschaffen, müssten dann besorgten Eltern erklären, wie sich ihre politischen Zielsetzungen gerade in Bezug auf den Nachwuchs damit vereinbaren lassen. So heißt es etwa im Programm der CDU-Kreispartei: „Kinder sind unsere Zukunft. Schon aufgrund dieser einfachen Tatsache ist alles daranzusetzen, dass Familien mit Kindern sich in Stuttgart wohlfühlen und ihre Interessen ernst genommen werden.“