In ganz Deutschland ist die Belastung mit Feinstaub laut Umweltbundesamt stark zurückgegangen – die unrühmliche Ausnahme ist und bleibt Stuttgart. Politiker fordern nun die blaue Plakette.

Stuttgart - In vielen deutschen Städten ist die Luft zu stark mit Stickoxiden belastet, wie dem am Dienstag vom Umweltbundesamt vorgestellten Luftbericht 2016 zu entnehmen ist. „Deutliche Fortschritte“ seien hingegen beim Feinstaub festzustellen. Das vergangene Jahr ist deutschlandweit das Jahr mit der geringsten Feinstaubbelastung seit 2000, was auch der Wetterlage zu verdanken ist, die eine Smogglocke über den Städten nicht begünstigt hat. Aber eine negative Ausnahme wird in einer Zusammenfassung des Berichtes durch die Umweltbundesamtspräsidentin Maria Krautzberger extra erwähnt: „Nur an der verkehrsnahen Messstation am Stuttgarter Neckartor wurde erneut der EU-Grenzwert überschritten.“ Und zwar an 63 Tagen ist diese Schwelle überschritten worden.

 

Der sogenannte PM-10-Tagesmittelwert liegt bei über 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft, er darf nicht mehr als an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Feinstaub entsteht aus Verbrennungsmotoren, Öfen, Heizungsanlagen, in der Müllverbrennung aber auch durch Reifenabrieb sowie durch die Freisetzung von Schadstoffen wie Ammoniak in der Landwirtschaft, aus denen sich später die mit dem bloßen Auge nicht erkennbaren Staubpartikel bilden.

Ginge es nach dem Umweltbundesamt, dann wäre in der EU längst der wesentlich strengere Richtwert für Feinstaub in Kraft, den die Weltgesundheitsbehörde (WHO) empfiehlt. Und der liegt bei 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Hätte man diesen Maßstab angelegt, wären an fast einem Viertel aller Messstationen die Grenzwerte überschritten worden. Für Krautzberger steht daher fest: „Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam weitere Anstrengungen unternehmen, um das Gesundheitsrisiko durch Feinstaub zu verringern.“ Es sei dringend erforderlich, Feinstaubemissionen aus privaten Öfen aber auch aus der Landwirtschaft zu drosseln.

Auch bei Stickoxid hat das Neckartor die höchsten Werte

Blickt man in die bundesweiten Feinstaubtabelle, fällt die Messstelle am Neckartor tatsächlich als einzige aus dem Rahmen und ist in rot gekennzeichnet. Auch andernorts werden hohe Werte gemessen, die allerdings weit entfernt liegen von den 63 Tagen der Grenzüberschreitung am Neckartor nach EU-Norm: So kam es an 26 Tagen zu Grenzwertüberschreitungen in der Grabbrunnenstraße in Esslingen, in der Kurt-Schumacher-Straße von Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) sowie in der Paracelsus-Straße von Halle (Sachsen-Anhalt). In der Innenstadt von Leipzig und der Tübinger Mühlstraße wurde der Wert 21 mal gerissen, am Arnulf-Klett-Platz in Stuttgart sowie in der Lederstraße von Reutlingen jeweils an 20 Tagen im Jahr. Aber all diese Werte liegen – wie gesagt – unter dem kritischen Limit von 35 Tagen im Jahr.

Deutschlandweit betrachtet macht dem Umweltbundesamt nicht der Feinstaub, sondern die Stickoxidbelastung große Sorgen. An gut 57 Prozent der Messstationen in der Nähe von Straßen sei der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel überschritten worden, heißt es im Luftbericht. Seit 2010 zeige sich nur ein „leicht abnehmender Trend“ bei der Stickoxidbelastung. Und auch hier fällt die Messstelle Neckartor wieder aus dem Rahmen: Sie hat im Jahresmittel eine bundesweite Rekordbelastung von 82 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter, das ist vergleichbar nur mit der Landshuter Allee in München (80 Mikrogramm), aber auch die Hohenheimer Straße in Stuttgart (76 Mikrogramm) ist von diesen Verschmutzungswerten nicht weit entfernt.

Politiker plädieren für blaue Plakette

Maria Krautzberger erhob deshalb eine klare politische Forderung und sprach sich für die Einführung der „blauen Plakette“ aus, mit der nur schadstoffarme Autos in die Städte dürfen. Auch der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) sowie Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) setzen sich vehement für die „blaue Plakette“ ein, sind aber bundesweit und bei den Landesverkehrsministern auf Ablehnung gestoßen. „Schuld an der Stickoxidbelastung sind vor allem alte Diesel-Autos“, sagt Maria Krautzberger. „Es kann aus Sicht des Gesundheitsschutzes nicht akzeptiert werden, dass die Kommunen keine Handhabe haben, um beispielsweise Dieselautos mit hohem Schadstoffausstoß aus belasteten Innenstädten auszuschließen.“

Auch der EU gegenüber sei Deutschland verpflichtet, für saubere Luft in den Städten zu sorgen. Die Konzentrationen an Ozon waren im vergangenen Jahr verhältnismäßig niedrig. Anders als im Hitzesommer 2015 war der letzte Sommer eher wechselhaft und es gab keine langen Schönwetterperioden, die die Ozonbildung begünstigt hätten. Der Klimawandel könne in Zukunft die Ozonbelastung weiter erhöhen, glauben die amtlichen Umweltschützer. Und auch hier spielten Stickstoffoxide aus dem Verkehr aber auch flüchtige organische Verbindungen aus Lösemitteln und Farben eine negative Rolle – sie gelten als „Vorläuferstoffe“ des Ozons. Ihren Ausstoß zu senken sei daher dringlich.