Der Innenminister Thomas Strobl (CDU) verspricht einen Freifahrschein für Euro-5-Fahrzeuge. Regierungschef Winfried Kretschmann mahnt, die Regierung müsse sich an Recht und Gesetz halten
Stuttgart - Grüne und CDU in der Landesregierung steuern in die Krise. Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) sagte am Dienstag nach der Sitzung des Koalitionsausschusses in der Villa Reitzenstein zum Thema Luftreinhaltung, Diesel-Fahrverbote für Autos der Euronorm 5 in Stuttgart werde es „mit uns nicht geben“. Später schränkte er den bedingungslosen Freifahrschein der Christdemokraten auf „kein flächendeckendes Euro-5-Verbot“ ein.
Euro-4-Diesel dürfen schon heute nicht mehr nach Stuttgart, die Besitzer gehen dagegen auf die Barrikaden und rufen dazu auf, das von CDU und Grünen gemeinsam verabschiedete Fahrverbot zu ignorieren. Wer es missachtet, zahlt 80 Euro Geldbuße.
Angespannte Atmosphäre
Wie Innenminister Strobl die Freifahrt für Euro 5 bei einer anhaltenden Überschreitung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte und angesichts des höchstrichterlichen Fahrverbot-Urteils für Stuttgart bewerkstelligen will, ließ er offen.
Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) widersprach Strobl bei der Pressekonferenz im Staatsministerium nicht. Zwei Stunden später, bei der Regierungspressekonferenz im Landtag (ohne Strobl), verklausulierte er seine gegenteilige Meinung. Kretschmann erwähnte das Leipziger Fahrverbots-Grundsatzurteil vom Februar 2018. „Wir leben in einem Rechtsstaat und müssen uns an Recht und Gesetz halten“, so der Grüne. Die Atmosphäre im Koalitionsausschuss sei „angespannt“ gewesen, „aber es ist niemand laut geworden“, so Kretschmann.
Schlechte Werte für die CDU
Die CDU käme der jüngsten Sonntagsfrage zufolge bei einer Landtagswahl nur noch auf 23 Prozent (2016: 27), die Grünen stiegen von 30,3 auf 33. Strobl würden fünf Prozent der Befragten direkt wählen, wenn das ginge, Kretschmann 59 Prozent. Strobl steht angesichts der Werte auch innerparteilich unter Druck. „Schlechte Umfragen ignoriere ich, das kann ich auch dem Koalitionspartner empfehlen“, so Kretschmann.
Den Anführer der Pro-Diesel-Demonstranten, den Porsche-Mitarbeiter Ioannis Sakkaros, habe man ins Staatsministerium eingeladen. „Ich denke, einige einfache Tatbestände konnten wir aufklären. Zum Beispiel, dass nicht der böse Winni Hermann die Messstelle am Neckartor aufgestellt hat, sondern der liebe Stefan Mappus“, sagte Kretschmann. Mappus, CDU, war bis Mai 2011 Kurzzeit-Ministerpräsident. Kretschmann löste ihn ab.
Mehr Maßnahmen für gute Luft
Einig seien sich die Partner, mit allen Mitteln für bessere Luft zu sorgen, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Deren Qualität ist laut Regierung an rund 20 Kilometern innerstädtischer Straßen so wie am Neckartor. Die Anstrengungen gelten vor allem dem Abschnitt um die Messstelle. Hermann versprach einen neuen Straßenbelag und Filtersäulen. Ein Versuch dazu laufe in Heilbronn. Außerdem werde es mehr Messeinrichtungen geben. Am Hotspot wird schon länger im Umfeld auch mit einfacheren Geräten (Passivsammler) gemessen, die im Vorjahr 57 bis 71 Mikrogramm registrierten. Der höchste Wert könne womöglich bald als „nicht repräsentativ“ entfallen, so Hermann.