Der Verkehrsausschuss im EU-Parlament lehnt die Vorschläge der Kommission für die Neuregelung der Arbeitszeiten von Piloten ab.

Brüssel - Vor der Abstimmung hat die Pilotenvereinigung Cockpit noch einmal beunruhigende Zahlen präsentiert. Unter den portugiesischen Flugkapitänen gaben neun von zehn befragten im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Lissabon an, im übermüdeten Zustand schon einmal Fehler gemacht zu haben. 53 Prozent von ihnen sind demnach schon einmal vom Schlaf übermannt worden, bevor sie ihre Cockpitkollegen bitten konnten zu übernehmen. Auch Portugal gehöre nun zu den Ländern, heißt es in einer Mitteilung, „in denen durch Umfragen oder Studien festgestellt wurde, dass Übermüdung im Cockpit Alltag ist“.

 

Entsprechend groß war am Montag die Genugtuung, als der Verkehrsausschuss des Europaparlaments einen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zurückwies, der aus Sicht der Pilotenvereinigung nichts oder nur wenig am gefährlichen Ist-Zustand geändert hätte. „Wir sind sehr froh, dass der Ausschuss unsere Sichtweise geteilt hat und es nun eine Chance gibt, den Kommissionsvorschlag im Sinne der Sicherheitsanforderungen nachzubessern“, sagte Cockpit-Pressesprecher Jörg Handwerg der StZ.

Mit 21 zu 13 Stimmen lehnten die Abgeordneten den Vorschlag ab, den die Regierungen der EU-Staaten bereits befürwortet hatten. Hätte der Ausschuss mit Ja votiert, wäre die europaweite Regelangleichung bei den Flugdienstzeiten nach einer zweijährigen Übergangszeit in Kraft getreten. Sollte auch das Plenum aller Abgeordneten Nein sagen, muss die EU-Kommission einen neuen Gesetzestext vorlegen. Verkehrskommissar Siim Kallas bedauerte die Entscheidung. Vor der nächsten Abstimmung brauche es eine „Debatte, die auf Fakten und nicht auf irreführenden Schauermärchen und falschen Behauptungen basiert“.

Vor allem zwei Punkte des aktuellen Entwurfs stehen in der Kritik. Einer sieht vor, dass ein Pilot nachts maximal elf Stunden Dienst tun darf – im Gegensatz zu den elfdreiviertel Stunden, die bisher die Obergrenze bilden. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft weist auch darauf hin, dass der Zeitraum, für den die eingeschränkten Nachtdienstzeiten gelten, ausgedehnt würde – statt von 19 Uhr bis 4 Uhr morgens gälten die strengeren Regeln schon von 17 Uhr an bis 5 Uhr am nächsten Tag. Allerdings hatte ein Forschergremium, eigens damit von der EU-Kommission beauftragt, ausdrücklich ein Limit bei zehn Stunden gefordert.

Der politische Streit ging darum, ob der Brüsseler Vorschlag weit genug geht, obwohl er hinter dem Rat der Wissenschaftler zurückbleibt. Der CDU-Abgeordnete Werner Kuhn stimmte für den Kommissionstext, da er „die Flugdienstzeiten reduziert, auch wenn dabei mancher seine Maximalforderungen vielleicht nicht erfüllt sieht“. Ohne das Gesetz „haben wir überhaupt keine Verbesserungen bei der Sicherheit“.

Der zweite Hauptkritikpunkt an die Adresse der Brüsseler Kommission und die Kölner EU-Agentur für Flugsicherheit betrifft die maximale Gesamtdienstzeit. Nach bis zu acht Stunden Bereitschaftszeit, in denen Piloten für verhinderte Kollegen einspringen können müssen, wäre den neuen Statuten zufolge noch ein Langstreckenflug von bis zu 14 Stunden erlaubt. Während der Dachverband der Airlines argumentiert, es komme quasi nicht vor, dass ein Pilot nach 22 Stunden im Wachzustand eine Maschine landen müsse, da „er auch innerhalb der Bereitschaftszeiten die Möglichkeit zu Ruhe und Schlaf“ hat, hält die Gewerkschaft Cockpit dagegen: „Man kann nicht auf Befehl schlafen, vor allem wenn die Bereitschaftszeit am Tag ist“, so der Pilot Handwerg, demzufolge überlange Dienstzeiten auch bei der Lufthansa „gang und gäbe“ sind. Nach einem Tag in Bereitschaft könne am frühen Abend noch eine Anfrage kommen: „Dann fliegt man um 22.30 Uhr eben noch mal nach Singapur.“

Der grüne Abgeordnete Michael Cramer warf den EU-Behörden vor, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu ignorieren, wonach Bereitschafts- zur Arbeitszeit zähle: „Ich will nicht von einem übermüdeten Arzt operiert und genauso wenig von einem völlig erschöpften Piloten geflogen werden.“ Sein SPD-Kollege Knut Fleckenstein sagte mit Verweis auf Studien, wonach bei Langstreckenflügen ein dritter Pilot pro Fluggast nur zwei Euro kosten würde: „Die Sicherheit von Personal und Passagieren muss an erster Stelle vor den Profitinteressen der Fluggesellschaften stehen.“