Mit einer weiteren Billigtochter im Europaverkehr und verbesserter Qualität will der neue Chef Carsten Spohr die Lufthansa wieder zu einem Topanbieter machen.

Seeheim - Zwei Monate hat sich Carsten Spohr Zeit gelassen. Doch am Mittwoch präsentierte der seit Anfang Mai amtierende Chef der Lufthansa das am Vorabend vom Vorstand beschlossene Konzept, mit dem die Lufthansa „wieder der Maßstab der Branche“ werden soll. „Wir wollen wieder erste Wahl für Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre und Partner sein“, sagte Spohr im konzerneigenen Trainingszentrum in Seeheim im Odenwald. Am Vormittag hatte er die Führungskräfte des Konzerns über seine Pläne informiert, dann stand der Konzernchef Journalisten für Fragen zur Verfügung.

 

Spohr sprach davon, dass man mit einem „Qualitäts- und Innovationspaket“ in die Offensive gehen wolle. Schließlich will die Lufthansa in absehbarer Zeit zu der exklusiven Gruppe von Fluggesellschaften gehören, die durch ihren Service und ihr Angebot von Experten der Branche mit fünf Sternen ausgezeichnet werden. Drei Milliarden Euro hat der Konzern dafür investiert, die Umsetzung der Maßnahmen läuft.

Auf der anderen Seite aber wird der Gegenwind immer stärker, die Billiganbieter machen dem Kranich das Leben in Europa schwer, die Anbieter aus dem Mittleren Osten jagen ihm auf der Langstrecke Kunden ab. Das, so glaubt Spohr, habe man jetzt eindeutig identifiziert und auch die richtigen Gegenkonzepte entwickelt. Nachdem die Übertragung von Teilen des Europaverkehrs von der Lufthansa auf die Tochter Germanwings bereits nach einem Jahr gute Erfolge zeigt, soll nun eine zweite Tochter, die Eurowings, ebenfalls Kunden der Billiganbieter zurück gewinnen. Bereits im Frühjahr sollen vom Schweizer Flughafen Basel die ersten Eurowings-Jets zu europäischen Zielen starten. Die Lufthansa-Tochter Swiss wird sich dann von dem Baseler Flughafen zurückziehen, wo zudem die britische Easyjet fliegt.

Insgesamt soll Eurowings mit bis zu 23 Flugzeugen vom Typ Airbus A320 ausgestattet werden und damit aus dem Stand zur Nummer drei im europäischen Punkt-zu-Punkt-Verkehr aufsteigen. „Ich denke, dass wir bei Eurowings mit den Kosten der Konkurrenten mithalten können“, kündigte Spohr an.

Grünes Licht hat der Vorstand auch für ein weiteres Billigprojekt gegeben, das nach Spohrs Angaben in Europa bisher einmalig wäre. Eine Arbeitsgruppe soll ein Konzept für einen Billiganbieter auf der Langstrecke erarbeiten. Dies könne man eventuell alleine, aber auch mit einem Partner machen, sagte Spohr. Bereits intensiv wird mit Turkish Airlines verhandelt, mit der die Lufthansa mit Sun Express ein erfolgreiches Gemeinschaftsunternehmen besitzt. Ob Ende 2015 oder Anfang 2016 die ersten Langestreckenjets einer Langstreckentochter aus München, Düsseldorf oder Köln starten werden, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Die Entscheidung soll im Herbst fallen.

Alle drei Billiganbieter, die unter dem Konzeptnamen Wings diskutiert werden, will die Lufthansa dann in einer Holding zusammen fassen, die ihren Sitz wahrscheinlich nicht in Deutschland haben wird. In Frage kämen die Kernmärkte Schweiz, Österreich oder Belgien, sagte Spohr. Nach seiner Einschätzung hat der Marktführer bisher nicht das ganze Potenzial ausgeschöpft, das sich aus dem deutlich schneller steigenden Markt für Privatreisen ergibt. Immerhin 75 Prozent aller interkontinentalen Flüge würden aus privaten Gründen gebucht, in Europa sind es sogar 79 Prozent.

Insgesamt will Spohr den Konzern noch flexibler machen – und die Kundenwünsche wieder stärker in den Vordergrund rücken. Das seit 2012 durchgeführte Zukunftsprogramm Score, mit dem Spohrs Vorgänger Christoph Franz das operative Ergebnis bis 2015 um 1,5 Milliarden Euro verbessern wollte, wird auch noch länger laufen. Anders als Franz macht Spohr aber keine genauen Vorgaben, welche Summen wo eingespart werden sollen. Es geht ihm vielmehr um den permanenten Veränderungsprozess. Daher soll auch ein neues Innovationszentrum in Berlin gegründet werden, in dem Fachleute aus mehreren Gebieten nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen sollen. „Wir wollen auf allen Gebieten des Konzerns zu den Treibern gehören, nicht zu den Getriebenen“, betonte der Manager.

Vor allem aber will der Konzernchef die Motivation der rund 117 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder erhöhen, die unter diversen Spannungen gestanden hatte. Dem Airbus-Piloten kommt dabei nach Ansicht von Experten zugute, dass er schon seit mehr als 20 Jahren im Unternehmen ist. Spohr zeigte sich zuversichtlich, dass der Dauerstreit mit den Piloten in Kürze beigelegt werden kann. Die neue Strategie werde nicht zu einem Arbeitsplatzabbau führen, versicherte Spohr, eher zu einem Aufbau.

Vor rund zwei Wochen hatte der Vorstand die Gewinnziele für das laufende und das kommende Jahr gekippt. Gestern bestätigte Spohr, dass man mit der neuen Prognose richtig liege. Um sich der Nachfrage anzupassen, werden aber einige Flugzeuge zusätzlich im Winter aus dem Flugplan genommen.