Verbrennungsmotoren haben einen relativ geringen Anteil an der Feinstaubbelastung. Bei ganz kleinen Partikeln und Stickoxiden sieht es etwas anders aus.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Die hohen Feinstaubwerte in Stuttgart und anderen Großstädten gelten als eines der stärksten Argumente für einen schnellen Ausbau der Elektromobilität. Denn obwohl sie teilweise auch mit Kohlestrom geladen werden, gelten die Elektrovehikel zumindest als lokal emissionsfreies Fortbewegungsmittel. Nach Angaben der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) stammen zum Beispiel am Stuttgarter Neckartor 46 Prozent der Feinstaubbelastung aus dem Straßenverkehr. Dieser Wert ergibt sich durch Addition aller Komponenten. Die neuesten verfügbaren Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2013.

 

Der Verkehr ist am Neckartor, das für häufige Grenzwertüberschreitungen bekannt ist, also ohne Zweifel eine gewichtige Feinstaubquelle. Doch nach den Zahlen der LUBW sind 39 Prozent aller Partikel auf den Abrieb von Reifen und Bremsbelägen sowie die Aufwirbelung von Staub durch Pkw und Lkw zurückzuführen. Verbrennungsmotoren sind demnach nur für sieben Prozent der Feinstaubbelastung am Neckartor verantwortlich. Darauf hatte kürzlich der Chef der Autosparte des Prüfkonzerns Dekra, Clemens Klinke, in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichtenhingewiesen. Der großflächige Umstieg von Otto- und Dieselmotoren auf Elektroantriebe bringe für die gesamte Feinstaubbilanz kaum etwas, folgerte Klinke. Denn die Belastung durch Abrieb und Aufwirbelung bleibe unverändert. „Die Antriebstechnologie macht bezüglich des Feinstaubs bei modernen Fahrzeugen keinen entscheidenden Unterschied“, sagte der Dekra-Manager. Dazu trügen Diesel-Partikelfilter maßgeblich bei.

Die Industrie hat den größten Anteil

Die Zahlen der LUBW für das Neckartor und etliche weitere Messpunkte im Land beziehen sich auf Partikel mit einer maximalen Größe von zehn Mikrometern – im Fachjargon PM 10 genannt. Deutschlandweit sind Verbrennungsmotoren für knapp vier Prozent der Belastung mit Partikeln der Größenklasse PM 10 verantwortlich, wie aus Zahlen des Umweltbundesamtes für 2014 hervorgeht. Den mit Abstand größten Anteil hat die Industrie. Einschließlich Abrieb und Aufwirbelung kommt der Straßenverkehr bei einer gesamtdeutschen Betrachtung auf einen Anteil von rund 13 Prozent am Feinstaub der Größenklasse PM 10.

Bei kleineren Staubteilchen ändern sich die Verhältnisse etwas. So beziffert das Umweltbundesamt den Anteil des Straßenverkehrs bei Partikeln bis 2,5 Mikrometer Durchmesser (PM 2,5) auf knapp ein Fünftel der Gesamtbelastung (18,9 Prozent). Auch die Relation zwischen den Emissionsquellen Abgase und Abrieb/Aufwirbelung verschiebt sich – und zwar zu Ungunsten des Verbrennungsmotors. Innerhalb des Straßenverkehrssektors entströmt knapp die Hälfte dieser feinen Partikel den Auspuffrohren von Pkw und Lkw. In der Größenklasse PM 10 liegt der Anteil motorbedingter Emissionen unter einem Drittel. Der Grund: Die Partikel, die durch Abrieb und Aufwirbelung freigesetzt werden, sind größer als jene aus dem Auspuff .

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Viele Mediziner halten die kleineren Partikel für besonders schädlich, weil sie auch in Bronchien und Lungenbläschen eindringen können. So berichtet die Onlineausgabe der „Ärzte Zeitung“ über eine Studie aus Japan, derzufolge eine hohe PM 2,5-Belastung der Luft das Schlaganfallrisiko erhöht. Das Umweltbundesamt verweist auf eine Auswertung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Demnach sei Feinstaub der Größenklasse PM 2,5 nicht eindeutig schädlicher als Partikel der Fraktion PM 10. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass die Mechanismen, über die sich Feinstaub auf die Gesundheit auswirkt, noch nicht lückenlos aufgeklärt sind.

Weniger Stickoxide mit E-Autos

Deutlich schlechter als beim Feinstaub schneidet der Straßenverkehr allerdings bei den ebenfalls gesundheitsschädlichen Stickoxidemissionen ab. So lassen sich nach Angaben der LUBW insgesamt 72 Prozent der Stickoxidbelastung am Neckartor auf den Pkw- und Lkw-Verkehr zurückführen. Als Quelle kommen dafür logischerweise nur die Verbrennungsmotoren der Fahrzeuge infrage. Der Abrieb von Bremsen oder Reifen enthält keine Stickoxide. Ein schnellerer Ausbau der Elektromobilität könnte demnach den Ausstoß an verkehrsbedingten Stickoxid-Emissionen senken.

Indirekt könnten niedrigere Stickoxid-Werte auch zu einer geringeren Belastung mit Feinstaub beitragen. Denn Stickoxide können zusammen mit anderen Luftschadstoffen – etwa mit Ammoniak aus der Landwirtschaft – zur Bildung von sogenanntem sekundären Feinstaub führen. Aus Gasen entstehen dabei feste Partikel, die durch die Luft schweben und von den Messgeräten als Feinstaub erfasst werden.

Fakten zum Feinstaub

Quellen Ein Teil des Feinstaubs stammt aus natürlichen Quellen. Dazu gehören etwa Blütenpollen oder Gesteinspartikel, die durch Erosion freigesetzt werden. Auch Vulkanausbrüche oder Waldbrände spielen eine Rolle. Der meiste Feinstaub entsteht aber durch menschliche Aktivitäten. Wichtige Quellen sind Industrieanlagen, der Straßenverkehr, Heizungen und Öfen.

Belastung In den letzten 20 Jahren ist die Feinstaubbelastung in Deutschland gesunken. Wurden 1995 rund 316 000 Tonnen Feinstaub mit einer Partikelgröße bis zehn Mikrometer emittiert, waren es 2014 rund 221 000 Tonnen. Seit 2010 geht die Menge aber kaum noch zurück.

Messung Standardmäßig wird an den Messstationen die gesamte Menge an Feinstaub einer bestimmten Größenklasse ermittelt. Um Zusammensetzung und Herkunft zu bestimmen, sind weitere Analysen nötig. Im Verkehrssektor wird auch mit Hochrechnungen auf Basis von Verkehrszählungen gearbeitet.