Die Luft am Stuttgarter Neckartor ist im laufenden Jahr nicht mehr die dreckigste in ganz Deutschland. Wie aber entwickelte sich im Rest der Region Stuttgart die Feinstaubbelastung im Hitzesommer 2018?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Für diesen Montag hat die Stadt Stuttgart wieder Feinstaubalarm ausgerufen – und zwar gleich zum Beginn der vierten Feinstaubalarm-Periode. Sie beginnt diesen Montag (15. Oktober) und dauert bis einschließlich 15. April 2019. Alarm wird ausgerufen, wenn die Wetterlage dreckige Luft nicht abziehen lässt.

 

Die Stadtverwaltung ist optimistisch: „2018 besteht die große Chance, erstmals an allen Messstationen im Stadtgebiet den Feinstaub-Grenzwert einzuhalten“, heißt es auf der städtischen Website zum Feinstaubalarm. Und noch eine erfreuliche Nachricht lässt sich vermelden: Das Stuttgarter Neckartor ist nicht länger die dreckigste Kreuzung Deutschlands – zumindest was die Feinstaubwerte im bisherigen Jahresverlauf anbelangt. Laut einer ständig aktualisierten Übersicht des Umweltbundesamts wurde der EU-Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft im Tagesmittel von Januar bis September anderswo deutlich häufiger gerissen. In der Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln waren es im laufenden Jahr 26 Überschreitungstage. Diese Messstelle führt die Statistik damit an – derzeit ist Berlin die Feinstaub-Hauptstadt.

In Niederzier (Nordrhein-Westfalen) wurden bisher 23 Überschreitungstage gezählt, in Halle, Berlin-Friedrichshain sowie Gelsenkirchen je 22. Am Neckartor waren es 17 Überschreitungstage, wovon einer wegen des Einsatzes von Streusalz abgezogen werden muss. Damit ist die bundesweit bekannte Straßenkreuzung aktuell nicht einmal mehr in der „Flop-10“ der am stärksten belasteten Messstellen bundesweit.

Wird Stuttgart seine Spitzenposition endgültig los?

Dass dieses Jahr die Berliner und nicht die Stuttgarter die dreckigste Luft atmen, hat einerseits damit zu tun, dass in der Hauptstadt der „Wind aus östlichen Richtungen“ viel dreckige Luft heranweht, wie der Sprecher der Berliner Umweltsenatorin in der „Berliner Zeitung“ erklärte – in Berlin wird also auch polnischer Feinstaub gemessen. Die Stuttgarter Verwaltung hat zudem zahlreiche Maßnahmen gegen Feinstaub ergriffen – darunter der Feinstaubalarm, mit dem Autofahrer zum Umstieg auf Bus, Bahn oder Fahrrad bewegt werden sollen; außerdem müssen an Alarmtagen sogenannte Komfortkamine, also private Holzöfen ausbleiben.

Allerdings war auch die Witterung in den Wintermonaten war 2018 günstig: Von Januar bis April die Feinstaubwerte am Neckartor an 16 Tagen über dem Grenzwert, im Vorjahr waren es mehr als doppelt so viele. Auch für den Zeitraum von Januar bis September war die Zahl der Überschreitungstage im vergangenen Jahr mehr als doppelt so hoch wie heuer. Die Messstellen in Markgröningen, Esslingen (Grabbrunnenstraße), Reutlingen (Lederstraße-Ost) und Ludwigsburg (Friedrichstraße) meldeten im laufenden Jahr ebenfalls wesentlich weniger Überschreitungstage als 2017 – damals zählten sie allesamt zu den zehn am stärksten belasteten Orten der Republik. Die Zahlen machen deutlich, wie wichtig die Wetterlage für die Werte ist. Stuttgart und die gesamte Region werden, wenn auch die verbleibenden Monate des laufenden Jahres relativ feinstaubarm bleiben, den unrühmlichen Spitzenplatz bei den Feinstaubwerten endgültig abgeben.

In der Diskussion um die Stickoxidwerte und Fahrverbote für Diesel ist Feinstaub zuletzt ein wenig in den Hintergrund gerückt. Dabei gilt der Schadstoff, der insbesondere von Heizanlagen, durch Reifenabrieb und Bremsen entsteht, als äußerst gesundheitsschädigend – auch in Konzentrationen, die unter den von der EU vorgeschriebenen Grenzwerten liegen. Im Jahresschnitt dürfen an einer Messstelle höchstens 40 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft gemessen werden, zusätzlich sind höchstens 35 Tage mit mehr als 50 Mikrogramm Tagesmittelwert erlaubt.

Feinstaubradar misst in der Fläche

Der Sommer 2018 war ungewöhnlich heiß. Zwar weiß man, dass die Feinstaubwerte im Sommer niedriger sind als im Winter, wo die sogenannte Inversionswetterlage die schmutzige Luft nicht entweichen lässt. Wie aber wirkte sich die Hitze auf die Feinstaubbelastung aus? Auch hier gibt die Übersicht des Umweltbundesamts vorerst Entwarnung: keine Überschreitungstage von Juni bis September. In Münster hingegen wurde etwa im Juli vier Mal der Grenzwert gerissen, in Gera brachte der Juni fünf Überschreitungstage. In Stuttgart indes war der Hitzesommer ein guter Feinstaubsommer.

Am Neckartor misst der amtliche Sensor, wie hoch die Belastung unmittelbar an einer vielbefahrenen Straße ist. Wie aber ist die Luftqualität in den Wohngebieten und den Gemeinden in der Region Stuttgart? Um das herauszufinden, eignet sich das im vergangenen November von unserer Redaktion veröffentlichte genommene Feinstaubradar. Es baut auf den Messungen von mehr als 700 privat zusammengebauten Geräten auf, die das OK Lab Stuttgart unter die Leute gebracht hat. Diese von engagierten Bürgern entwickelten Geräte messen bei weitem nicht so genau wie die viel teureren amtlichen Sensoren der staatlichen Landesanstalt für Umwelt (LUBW). Wegen ihrer großen Zahl vermitteln die von den günstigen Geräten ermittelten Werte aber einen Eindruck, wie sich die Belastung in der Region verteilt.

Diese Zahlen ergeben für die Sommermonate ein etwas gemischteres Bild. Demnach waren die Werte in weiten Teilen der Region Stuttgart den Sommer über unbedenklich und lagen auch deutlich unter denen, die unsere Redaktion in einer Datenauswertung für die Wintermonate ermittelt hat. Lediglich die Sensoren in Esslingen und Stuttgart-Zuffenhausen kamen in die Nähe jener Belastung von 20 Mikrogramm je Kubikmeter Luft, die von der Weltgesundheitsorganisation als gerade noch unbedenklich eingestuft werden.

Diese Werte liegen wie zu erwarten unter denen, die von der LUBW an stark befahrenen Straßen ermittelt wurden. Am Neckartor wurden zwischen Juni und September durchschnittlich 25 Mikrogramm Feinstaub gemessen, an der Hohenheimer Straße sowie am Arnulf-Klett-Platz 21 und an der Hauptstätter Straße 17 Mikrogramm.

Hier geht es zum Feinstaubradar.