Der Ton wird rauer in der Diskussion um den Feinstabalarm. OB Fritz Kuhn (Grüne) sieht die Stadt auf einem guten Weg – und steht mit dieser Einschätzung ziemlich alleine da. Die CDU wirft ihm vor, dem Image der Stadt zu schaden.

Stuttgart - Nachdem am Dienstag der vierte Feinstaubalarm nach neun Tagen endete und am 15. April die alarmfreie Zeitrechnung (bis 15. Oktober) beginnt, hat OB Fritz Kuhn (Grüne) erklärt, die Stadt sei „auf einem guten Weg“, auch wenn mit überschlägig zwei bis sieben Prozent Teilnehmern nicht so viele freiwillig vom Auto auf den Nahverkehr umgestiegen und Komfortkamine ausgelassen hätten wie erhofft. Er verwies auf die flächendeckend hohe Stickoxidbelastung; das sei aber nicht allein das Problem der Städte. Die Automobilindustrie müsse neue Verbrennungstechniken liefern.

 

Kuhn kündigte eine sorgfältige Auswertung an. Wenn nötig, würden Anpassungen vorgenommen. Der Alarm sei „ein atmendes Konzept“. Nicht der Feinstaubalarm sei das Problem, sondern der Feinstaub. Der lasse sich nicht „unter den Teppich kehren“. Es brauche mehr Menschen, die umsteigen. Es sei besser, es freiwillig zu schaffen. Sollte das nicht gelingen, könne es zu Fahrverboten kommen. Kuhn will mehr Vergünstigungen wie ein Feinstaubticket anbieten und die Taktung sowie die Infrastruktur des ÖPNV verbessern. Dafür brauche er aber Mittel vom Land.

Nur die Grünen stehen an der Seite von OB Fritz Kuhn

Mit Ausnahme der Grünen teilte keine Fraktion Kuhns Einschätzung. Die CDU sagt, der Feinstaubalarm beschädige das Image der Stadt. Kuhn solle ihn abschaffen oder verbessern. Als abschreckendes Beispiel bezeichnet Fraktionschef Alexander Kotz Stuttgarts Internetauftritt – Touristen und Investoren würden mit dem Warnhinweis vergrault. Man könnte die Aktion positiv als „Luftreinhaltetage“ verkaufen. Er würde einen Hinweis auf die schlechten Stickstoffdioxidwerte vorziehen; diese beträfen alle Großstädte, so dass „Stuttgart nicht allein in der Schmuddelecke“ stünde.

Diese Vorschläge findet wiederum Kuhn daneben: Um ein Riesenproblem „ein rosa Schleifchen zu binden“, würde die Stadt bundesweit zur Lachnummer machen. Grünen-Fraktionschef Andreas Winter pflichtete dem Parteifreund bei: „Wir machen deutlich, dass sich hier eine Stadt um das Problem kümmert und den Mut hat, die Dinge beim Namen zu nennen.“

Für die SPD ist der Alarm ein „Rohrkrepierer“

„Ein Rohrkrepierer“ nannte Martin Körner (SPD) den Alarm. Fahrverbote wären unverhältnismäßig und minimierten die Werte nicht. Es fehlten zudem Park-and-ride-Plätze. Nötig sei der Ausbau des Nahverkehrs. Für mehr Busse und Bahnen wollen die Genossen 100 Millionen Euro investieren. Außerdem müssten günstige Tickets für Umsteiger angeboten werden.

Christoph Ozasek (SÖS-Linke-Plus) teilt die Einschätzung, die Bürger bräuchten Anreize. Er plädiert allerdings für ein sofortiges Fahrverbot und Tempolimits. Ozasek nimmt auch das Land in die Pflicht: es sei skandalös, die Beschaffung von Stadtbahnen nicht mehr zu fördern.

Von Fahrverboten wäre auch die Peripherie betroffen

Von Smog wie in Peking kann in Stuttgart keine Rede sein. Und auch die Probleme mit Feinstaub und Stickstoffdioxid sind geringer als vor zehn Jahren; gleichwohl liegen die Kurzzeit- und Mittelwerte an viel befahrenen Straßen oft über den EU-Grenzwerten. Die Überschreitungen beim Feinstaub, die auch aus dem Betrieb von Holzöfen resultieren, beschränken sich auf acht Kilometer Straßenrand, beim Stickstoffdioxid auf 100 Kilometer bei einer Gesamtlänge von 1400 Kilometern. In vielen Wohngebieten liegt die Belastung weit unter den Grenzwerten.

Beim Feinstaub wird seit 2011 das Limit übers Jahr gesehen an den Messstellen in der City eingehalten, was die Tagesmittelwerte betrifft, ist nur das Neckartor ein Problem: 72 statt 35 erlaubter Überschreitungen wurden dort 2015 registriert. Schwieriger ist die Lage beim Stickstoffdioxid: der Jahreswert liegt an drei von vier Messstellen um 50 bis 100 Prozent über der Grenze, der Stundenwert wiederum nur am Neckartor (2015: 61 Stunden, maximal erlaubt sind 18 Stunden). Im Ausschuss wurde erklärt, dass für die Belastung in der City zu einem nennenswerten Teil Quellen im gesamten Stadtgebiet verantwortlich sind. Das ist wichtig im Hinblick auf Fahrverbote: Es würden nicht nur Fahrten in die Stadtmitte untersagt, sondern etwa auch solche an der Peripherie, etwa zwischen Uhlbach und Rotenberg.