Mit dem nächsten Schritt für besserer Luft in Stuttgart soll es nicht nur ein streckenbezogenes Fahrverbot für Euro-5-Diesel geben.

Stuttgart - Das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) will im nächsten Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt 40 Kilometer pro Stunde als neue maximale Geschwindigkeit in der Innenstadt anordnen. Das soll zur Luftreinhaltung beitragen.

 

Warum Tempo 40?

Das Regierungspräsidium sieht die neue Höchstgeschwindigkeit nicht nur als Begleitmaßnahme zum nächsten Fahrverbotsschritt vor. Der soll von 2020 an Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erfassen, aber nicht in der gesamten Umweltzone, sondern auf vier stark befahrenen Abschnitten: Der Heilbronner und Hohenheimer sowie der Hauptstätter Straße und der Straße Am Neckartor.

In welchem Gebiet gilt die Tempobremse?

Im gesamten Talkessel. Grob umrissen zwischen dem Kräherwald im Westen, der B 10 im Norden und Osten (das wären Prag- und Uferstraße) sowie Gablenberg und der Grenze zu Degerloch im Süden.

Was soll Tempo 40 bringen?

Bei einer flächendeckenden Einführung von Tempo 40 sei „eher mit einer Verringerung der Verkehrsmenge und damit einhergehend mit Verringerungen der Emissionen zu rechnen“. Das Regierungspräsidium nennt auf Anfrage eine „abgeschätzte Wirkung von null bis fünf Prozent Reduktion“ der Stickstoffdioxidbelastung. Also der Konzentration jenes Luftschadstoffs, der wegen des bisher stark überschrittenen EU-Grenzwertes im Fokus steht. Den Grenzwert 2020 zu erreichen sei mit dem streckenbezogenen Fahrverbot allein nicht möglich. Daher auch Tempo 40, das auch auf allen Hauptstraßen „schrittweise“ angeordnet werden solle.

Was sagt das RP zur Verdrängung?

Weil das Euro-5-Dieselfahrverbot 2020 nur auf wenigen Hauptstraßen gelten soll, rechnet das RP damit, dass sich die Autofahrer andere Wege zum Ziel suchen. Die flächendeckende Reduzierung auf 40 Kilometer pro Stunde soll diese Ausweichstrecken unattraktiver machen. „Erwartbarer Verdrängungsverkehr“ solle so verhindert werden. Die Hoffnung ist also, dass die Verkehrsmenge zurückgeht. Die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit innerorts trifft unabhängig vom Antrieb natürlich alle Autofahrer.

Was plant das RP noch?

Neben dem auf Euro-5-Diesel erweiterten Fahrverbot – jenes bis Euro 4 gilt ja schon seit Januar für auswärtige und seit April für Stuttgarter Fahrer – soll das Parkraummanagement ausgedehnt werden. Damit wird die Fahrt mit dem Auto in die Innenstadtbezirke teurer, weil es nahezu keine kostenlosen Abstellmöglichkeiten an der Straße mehr geben soll.

Was ist mit technischen Lösungen?

Zur Luftreinhaltung sind, zunächst am Neckartor, auch Filtersäulen der Firma Mann und Hummel aufgestellt worden, außerdem wurde dort ein spezieller Straßenbelag mit Titandioxid aufgebracht, der NO2 umwandeln soll. Das RP setzt auch weiter auf die Luftfilter. Die Säulen am Neckartor wurden verbessert, weitere sollen entlang der Prag- und Hohenheimer Straße kommen.

Was geschieht, wenn das nicht ausreicht?

Sollte der Stickstoffdioxid-Jahresmittel-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft 2020 nicht erreicht werden, hält sich die Behörde weitere Eingriffe in den Straßenverkehr offen. So soll in die jetzt erstellte vierte Fortschreibung des Luftreinhalteplans auch ein zonales Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotor unter der Euronorm 6 stehen. Das fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schon lange, und so stand es auch im Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Luftreinhaltung von Februar 2018.

Wie ist die Rechtslage?

Übersichtlich, auch wenn die grün-schwarze Landesregierung diverse Stufen der Verwaltungsgerichtsbarkeit beschäftigt und eine Reihe von Beschwerden gegen Vollstreckungen einlegte. Das Fahrverbot auch für Euro-5-Diesel müsste bereits jetzt im Luftreinhalteplan Stuttgart stehen und nicht einzelne Straßen, sondern die ganze Umweltzone Stuttgart umfassen. Das hat erst vor wenigen Tagen die Kanzlei Dolde Mayen und Partner in einem Gutachten im Auftrag des Landes festgestellt. Letzter Satz im Gutachten: „Derzeit gibt es keinen rechtlich belastbaren Ansatz, die Erfüllung der Urteile in der Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu vermeiden“.

Kann sich die Stadt gegen Tempo 40 wehren?

Die Fortschreibung des Luftreinhalteplans wird ausgelegt, auch die Stadt wird dazu angehört. Widerstand ist zulässig, aber manchmal ist er nutzlos. Bei der jüngsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans hatte sich der Gemeinderat zum Beispiel mehrheitlich gegen die Einrichtung einer Busspur am Neckartor gestemmt. Dafür fiel auf einer kurzen Strecke eine Fahrspur weg. Die Weigerung hatte Konsequenzen: Das Regierungspräsidium hatte auf Weisung des Verkehrsministeriums die Stadt am 14. Juni angewiesen, das Einvernehmen zur Busspur zu erteilen. Die Stadt musste also zwangsweise ihre Zustimmung geben.