Brüssel will mit einer Studie überprüfen, wie sich die Standorte der Messstationen zur Luftreinhaltung in den einzelnen EU-Ländern unterscheiden. In Deutschland sind die Messpunkte mit Blick auf die EU-Vorgaben womöglich falsch gewählt.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Aus Brüssel kommt womöglich Beistand für die Kommunen, in denen Fahrverboten wegen schlechter Luft drohen. Nach Informationen unserer Zeitung hat das Parlament eine Studie in Auftrag gegeben, die überprüfen soll, ob die Behörden in den Mitgliedstaaten jeweils die gleichen Kriterien bei der Auswahl der Messstellen für die Luftqualität anlegen. Die Auswahl der fixen Messstellen in je zehn Kommunen in mehreren Mitgliedsländern der EU sollen von den Experten kritisch unter die Lupe genommen werden.

 

Die Untersuchung wurde vom CDU-Europa-Abgeordneten Norbert Lins aus Württemberg-Hohenzollern im Umweltausschuss des Parlaments durchgesetzt. „Ich bin schon länger überzeugt“, so Lins im Gespräch mit unserer Zeitung, „dass bei uns in Deutschland teilweise an den falschen Stellen gemessen wird. Nämlich nicht dort, wo es Sinn macht, sondern dort, wo möglichst hohe Werte heraus kommen.“ In Baden-Württemberg gibt es vor allem Zweifel an der Auswahl der Messstellen in Stuttgart am Neckartor und in Reutlingen am Ledergraben. Es wird davon ausgegangen, dass sowohl die Messstellen in Stuttgart als auch in Reutlingen in die Studie einbezogen werden.

Anwendung der Vorgaben wird untersucht

Die Untersuchung wird die Auswahl der Messstellen zum einen in Ländern vergleichen, gegen die die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren wegen chronischen Überschreitens der Grenzwerte für Luftschadstoffe eingeleitet hat, wie etwa Frankreich und Deutschland. Zum anderen wird die Lage in Ländern untersucht, die nicht von Vertragsverletzungsverfahren betroffen sind, wie etwa Österreich und Polen. In Deutschland hatte die EU-Kommission Überschreitungen in 26 so genannten Luftqualitätsgebieten moniert. Besonders betroffen sind große Städte wie Berlin, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Düsseldorf.

Auftrag der Studie ist, zu analysieren, wie die Behörden in den Mitgliedstaaten die Vorgaben der EU-Kommission für die Auswahl der Messstellen angewendet haben. Es geht dabei um Fragen wie: Wer hat die Entscheidung getroffen, an welche Stelle gemessen wird? Haben Behörden in einigen Ländern die Vorgaben aus Brüssel besonders streng ausgelegt oder noch strenger als die EU eingefordert hatte? Die Studie geht noch einen Schritt weiter: Wenn es signifikante Unterschiede gibt, wie Behörden von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat die Brüsseler Vorgaben ausgelegt haben, soll ermittelt werden, welche Folgen diese Abweichungen auf die Messergebnisse haben.

Messstelle soll für Bereich von 200 Quadratmetern repräsentativ sein

Lins bezweifelt, dass die Landesbehörden im Südwesten, die die Auswahl der Messstellen vornehmen, das von der EU vorgegebene Kriterium der Repräsentativität richtig anwenden. Offiziell heißt es: Die Messstelle solle so gewählt werden, „dass sie für die Luftqualität in einem umgebenden Bereich von mindestens 200 Quadratmetern repräsentativ ist.“ Dies sei weder in Stuttgart noch in Reutlingen gegeben, moniert Lins. Er fordert, dass die Messungen eher an der Linie vorgenommen werden, die die Bebauung vorgibt, und nicht an den Verkehrsknotenpunkten, wie etwa in Stuttgart und Reutlingen. Lins geht davon aus, dass es hier Abweichungen um bis zu 2,9 Meter gibt. Das Ergebnis der Überprüfung der Messstellen durch die Studie soll im Mai vorliegen.

Die EU-Kommission hatte bereits im Mai erkennen lassen, dass sie selbst Zweifel an den Kriterien für die Auswahl der Messpunkte hat. EU-Umweltkommissar Karmenu Vella hatte als Antwort auf eine Frage des Abgeordneten Lins geschrieben: Die Kommission erkenne an, „dass diese Kriterien in einigen Fällen im Hinblick auf eindeutigere Messungen verbessert werden können.“ Daher habe die Kommission eine Eignungsprüfung der Luftqualitätsrichtlinien in Auftrag gegeben. Dabei gehe es darum, herauszufinden, „ob die Luftqualitätsrichtlinien einschließlich der Kriterien für die Standorte der Probenahmestellen ihren Zweck erfüllen.“

Sind mögliche Fahrverbote die Folge von Willkür?

Für den Fall, dass die Studie eine abweichende Anwendung der Brüsseler Vorgaben ergibt, sieht Lins Handlungsbedarf. „Es kann nicht sein, dass zum Beispiel in Wien komplett anders gemessen wird als in Stuttgart.“ Es sei dann willkürlich, wenn in der Folge in einigen Städten die Bürger nicht mehr ins Zentrum fahren dürften. Den Unterschied mache dann nicht eine höhere Belastung der Luft mit Schadstoffen aus, „sondern die Tatsache, dass Messstationen näher an der Straßen stehen“.