Keine Inversionswetterlage in Sicht – der Feinstaubalarm muss vorerst nicht ausgelöst werden. Derweil sponsert das Land den Ankauf neuer elektronischer Hinweistafeln. Der BUND bezeichnet den Alarm auf freiwilliger Basis als untauglich.

Stuttgart - Die gute Nachricht vorweg: in den nächsten Tagen lässt die Wettervorhersage offenbar keinen Feinstaubalarm erwarten. Die Probe aufs Exempel bleibt der Landeshauptstadt also zumindest vorerst erspart. Doch das Instrumentarium für die Alarmphase steht bereit – und wird weiter vervollständigt. Am Montag überbrachte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) seinem Parteifreund OB Fritz Kuhn die Zusage des Landes, sich mit 1,5 Millionen Euro an den Kosten für zusätzliche 10 bis 14 sogenannte Variotafeln zu beteiligen.

 

Die elektronischen Anzeigen – bisher gibt es davon 12 in Stuttgart – sollen die Autofahrer an den großen Ein- und Ausfallstraßen bei Bedarf auf den Feinstaubalarm aufmerksam machen und zugleich dazu auffordern, auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen. „Formal ist ab heute Feinstaubalarm. Aber wegen der fehlenden Inversionswetterlage wird er wohl in absehbarer Zeit nicht ausgelöst werden müssen“, sagte Kuhn. Der Alarm ist an die Wetterlage gekoppelt, und zwar unabhängig davon, ob die Grenzwerte tatsächlich in den nächsten Tagen überschritten werden oder nicht.

Variotafeln zum Stückpreis von bis zu 250 000 Euro

Er persönlich freue sich „über jeden Tag, an dem wir keinen Alarm auslösen müssen“, so der OB. Die Infrastruktur dafür sei aber im wesentlichen vorhanden. Mit den neuen, bis zu 250 000 Euro teuren Variotafeln sollen gezielt auch die Autofahrer aus der Region, die sich am Abend auf den Heimweg machen, darüber aufgeklärt werden, dass sie am übernächsten Tag ihr Fahrzeug besser stehen lassen sollten.

Ob diese Appelle fruchten, daran zweifeln Kritiker wie etwa die Umweltverbände. Minister Hermann dagegen erhofft sich an Alarmtagen einen Rückgang der Fahrzeugzahl im Talkessel um mindestens 20 Prozent. Die Kritik des ehemaligen Grünen-Stadtrats und Rechtsanwalts Roland Kugler, der den Alarm und angedrohte Fahrverbote ab 2018 für rechtlich unausgereift hält, konterten Hermann und Kuhn: Die Rechtsgrundlage sei einwandfrei gegeben. Kugler hatte auch das Veröffentlichen tagesaktueller Messwerte verlangt. Hermann will den Effekt des Feinstaubalarms dagegen erst nach drei Tagen analysieren.

Bezüglich ihres eigenes Verkehrsverhaltens wollen die beiden Grünen-Politiker mit gutem Beispiel vorangehen. Kuhn wird bei Alarm sogar aufs OB-eigene Elektromobil verzichten („Der Reifenabtrieb verursacht ja auch Feinstaub“) und begibt sich dann per pedes von seinem Wohnort im Stuttgarter Westen ins Rathaus. Hermann ist ihm da schon einen Schritt voraus: „Ich gehe jeden Tag zu Fuß zur Arbeit.“

Der BUND lässt kein gutes Haar am Feinstaubalarm

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) unterdessen bezeichnet den Alarm auf freiwilliger Basis als untaugliches Instrument zur Reduzierung der Schadstoffbelastung. „Aussitzen statt aufatmen – dieses Motto beherrscht auch nach elf Jahren massiver Grenzwertüberschreitungen von Feinstaub und Stickstoffdioxid die politische Agenda in der Landeshauptstadt. Mit Appellen zum freiwilligen Autoverzicht sind die gesetzlich verbindlichen Grenzwerte nicht einzuhalten“, so BUND-Verkehrsreferent Klaus-Peter Gussfeld.